Hallo an alle im Forum,
als ich vor ein paar Tagen das Kern Aarau Focalpin restauriert habe, kam auch wieder zum Prüfen und Justieren mein selbstgebauter Bino-Prüfer zum Einsatz.
Über diesen möchte ich heute berichten.
Zur Entstehung:
Ich sammle, restauriere und repariere nun schon etwa seit 30 Jahren Ferngläser verschiedener Bauart und Größe. Für mich als Sammler, aber vor allem als leidenschaftlicher Benutzer, zum Teil sehr alter Feldstecher, ist eine gute Justierung die wichtigste Voraussetzung für ein entspanntes Beobachten.
Nach einer kompletten Demontage und dem darauf folgenden Zusammenbau ist eine abschließende Justage jedoch immer notwendig.
Die Justiergeräte der großen Hersteller sind schwer, groß, unhandlich und in der Regel auf die eigenen Fernglastypen abgestimmt. Außerdem bewegen sie sich preislich in einer Liga, die für die meisten Sammler unerreichbar ist.
Ich wollte daher unbedingt selber ein Prüfgerät bauen, welches nach Möglichkeit folgende Eigenschaften aufweisen sollte.
1. Es muss hochgenau sein. Eine Beurteilung der binokularen Justage sollte sich mit einer Genauigkeit von unter einer Bogenminute feststellen lassen.
2. Der Bino-Prüfer selbst sollte leicht und transportabel sein, um beispielsweise auf einer Messe oder Börse Ferngläser direkt vor Ort testen zu können.
3. Die Aufnahmeplatte für die Ferngläser sollte für alle Fernglastypen universell (von 8x30 bis 15x60) nutzbar sein, ohne dabei unnötig groß oder schwer zu sein.
4. Die verschiedenen Modelle sollten einfach, schnell und ohne Werkzeug sicher zu fixieren und an den Bino-Prüfer anpassbar sein.
5. Die Aufnahmeplatte sollte fest auf ein Stativ montierbar sein, um bei Hände für die Justage frei zu haben.
6. Der Bino-Prüfer sollte möglichst staub-und spritzwassergeschützt sein.
Nach einer längeren Entwicklungsphase und einige Prototypen später kann ich jetzt über das Ergebnis meiner Arbeit berichten:
Das eigentliche Prüfgerät arbeitet nach einem recht einfachen Prinzip: Die Austrittspupillen der beiden Fernglashälften werden so dicht nebeneinandergelegt, dass sie problemlos mit einem Auge erfasst werden können.
Durch diesen Trick umgeht man die Korrekturmechanismen des Auge-Gehirn-Systems, das bei kleineren Dejustierungen des Fernglases ein stereoskopisches Sehen dennoch ermöglicht, wenn auch unter Anstrengung.
Leider kann ich in den Text keine Bilder kopieren, deshalb werde ich die angehängten Fotos der Reihe nach kommentieren.
Bild 1: Aufbewahrungs-/Transportbox aus Holz (24x14x10) L,B,H mit eingelasertem Logo.
Bild 2: Hier sieht man oben die Unterseite der Aufnahmeplatte für das Fernglas aus Multiplex mit Furnier aus Vogelaugenahorn. Unter der Aluminiumplatte befindet sich das Teflonlager für die Führungsschiene.Die 6 Schrauben sind gerade so fest angezogen, dass ein angenehmes Gleitverhalten erzeugt wird und sich die Schiene absolut spielfrei bewegen lässt. Rechts daneben ist das Stativgewinde zu sehen.
Bild 3: Geöffnete Box mit Bino-Prüfer (schwarz), Prüferhalterung, Führungsschiene und Gummiriemen.
Bild 4-10: Ansichten, Details, Zusammenbau.
Auf Bild 5 sieht man die eloxierte und von innen polierte Führungsbuchse in der ein Röhrchen auf hochviskosem Fett gleitet. Die Buchse ist mit der Führungsschine verschraubt und hat bei genauerem Hinsehen einen winzigen Schlitz. Durch Anziehen der Rändelschraube wird ein leichter Druck auf die Buchse ausgeübt und so erhöht sich die Reibung am Röhrchen und hält den Prüfer fest auf der richtigen Höhe, ohne dass die Schraube das Röhrchen zerkratzt.
Bild 11,12: Aufnahmeplatte mit befestigtem 8x30 Deltrintem. Die Führungsschiene wird einfach ein Stück nach vorne geschoben, um den Bino-Prüfer an die Okulare zu drücken.
Bild 13,14: Moosgummistreifen in verschiedenen Stärken zum Unterlegen bei unterschiedlichen Fernglas-Typen.
Bild 15,16: Hier sieht man die Anwendung der Moosgummistreifen.
Bild 15: Ohne Moosgummi, die Okulargummis bilden einen konischen Spalt zum Prüfer.
Bild 16: Mit Moosgummi sitzt es so, wie es sein soll.
Bild 17,18,19: Das 8x30 auf der gepolsterten Aufnahmeplatte mit einem Stativ verbunden.
Durch die hohe Reibung des Fernglaskörpers mit dem Moosgummi reicht schon ein moderates Anziehen des Riemens, um das Glas sicher zu fixieren.
Bild 20,21,22: Die beiden Austrittspupillen in der Ansicht und in der Durchsicht.
Beim Durchschauen (hier fotografisch festgehalten) erkennt man eine leichte Dejustage, die aber noch innerhalb der Toleranz liegt.
Bild 23: Auch ein 8x56 findet problemlos Platz auf der Aufnahmeplatte.
Bild 24: Eine Schnellwechselplatte lässt sich gut montieren und erleichtert die Befestigung am Stativ.
Bild 25-29: Die folgenden Bilder sind nicht durch den Prüfer selbst fotografiert worden, sondern der Einfachheit halber und zum besseren Verständnis als übereinandergelegte Bilder in Photoshop entstanden.
Bild 25: Gute Justage, kein Handlungsbedarf.
Bild 26: Die Bildaufrichtung des rechten Strahlengangs ist verkippt. Die Prismen müssen ausgerichtet werden.
Bild 27: Ein vertikaler Versatz der Strahlengänge in einer Größenordnung, die mit Sicherheit als störend empfunden wird. Die binokulare Justage muss über die entsprechenden Justiermöglichkeiten des Fernglases eingestellt werden.
Bild 28: Eine Vergrößerungsdifferenz von mehr als 6% (5% wären gerade noch zulässig). Eine Abhilfe ist hier nur in Ausnahmefällen möglich.
Bild 29: In der DIN ISO 14133-1 werden u. a. die zulässigen Abweichungen der optischen Eigenschaften von Ferngläsern und Fernrohren festgelegt. Hieraus ergibt sich ein Toleranzfeld, welches ich in Bezug zur Größe des Funkmastes gesetzt und eingezeichnet habe.
Alles innerhalb dieses Feldes wäre nach dieser Definition hinreichend justiert.
Gerne kann ich in einem anderen Beitrag auch auf die verschiedenen Justagemöglichkeiten bei unterschiedlichen Fernglastypen und Herstellern eingehen.
Auch ein spannendes Thema.
Holger Ullmann