Als Streulicht wuerde ich alles an Licht auffassen, das irgendwie aus dem Okular austritt und nicht zum Primaerbild gehoert, also
1) das an Glasflaechen mehrfach reflektierte Licht
2) Licht, das an Tubuswaenden oder anderen mechanischen Komponenten gestreut wird
3) ein Teistrahl, der seinen Weg ueber einen unerwuenschten Pfad durch das Umkehrsystem findet
4) Licht, das diffus an schlecht polierten oder verschmutzten Linsenoberflaechen gestreut wird
5) An der Dachkante gebeugtes Licht oder durch Phasenverschiebung in Dachkantprismen entstandene Interferenzerscheinungen
Wie man sieht, gibt es hier Grenzfaelle, wie etwa 5), da man ein solches Licht, das u.a. Lichtbalken (spikes) an hellen Lichtquellen erzeugt, durchaus auch als Aberration auffassen kann. In der klassischen geometrischen Optik treten solche Effekte aus 5) nicht auf, daher werden sie traditionell nicht unter Aberrationen verbucht. In der Praxis gestehe ich 1) eine Sonderstellung zu und bezeichne die hieraus resultierenden Effekte als "Geisterbilder" - auch wenn das eigentlich kein Fachbegriff ist. Beim Testen von Fernglaesern ist es jedoch praktisch, diese Unterscheidung zwischen Geisterbildern und diffusem Streulicht (das aus 2-4 resultiert) , zu treffen, da 1) klare Aussagen zur Qualitaet der Verguetung zulaesst. 2) erzeugt meist einen mit Falschlicht kontaminierten Randbereich der Austrittspupille, und man erkennt dann etwa sichelfoermige diffuse Aufhellungen in Teilen des Bildes. 3) erzeugt Nebenpupillen ausserhalb der Austrittspupille, die seltsame Effekte erzeugen koennen (etwa: geisterhafte Objekte, die auf dem Kopf stehen und sich beim Schwenk in entgegengesetzter Richtung durch das Bild bewegen). Beobachtungen mit Fernglaesern, die grosse Austrittspupillen haben, sind logischerweise seltener von 2) und 3) betroffen, und wenn doch, dann eher in der Daemmerung oder Nacht als am Tage. 4) erzeugt einen allgemeinen, gleichmaessigen Kontrastverlust des Bildes, insbesondere dann, wenn man am Tage in Richtung Sonne oder gegen hell erleuchtete Flaechen schaut.
Streulicht ist ein extrem vielfaeltiges Problem, und keine Computersoftware kann das Streulichtverhalten eines Fernglases praezise voraussagen. Es sind daher Feldtests von Prototypen notwendig, um ein Fernglas absolut streulichtfest zu bekommen.
Viele Gruesse,
Holger
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 12.03.15 02:40.