Ich hatte heute die Gelegenheit, bei Foto Wolf in Dresden mit dem Zeiss 10x42 SF zu spielen. Bei den beiden Exemplaren handelte es sich nicht um Geräte für den Verkauf, sondern um Demogläser, die zu Webezwecken durch das Land reisen. Ein 8x42 war leider noch nicht dabei, könnte aber im Verlauf des August bereit werden. Ich gebe hier meine ersten Eindrücke wieder, die natürlich in der kurzen Zeit nicht komplett sein können. Zum Glück war auch Frank Schäfer dabei, so dass wir uns gegenseitig auf Besonderheiten aufmerksam machen konnten.
Das Fernglas ist kein Zwerg - man betrachte das Vergleichsfoto mit einem Swaro 8.5x42 SV (im Anhang, 10x42sf_8.5x42sv.jpg). Es ist jedoch recht leicht und bietet eine ausgezeichnete Haptik. Die Achse der Fokussierwalze ist an beiden Enden gelagert, was dem Mitteltrieb eine vertrauenserweckende Robustheit gibt. Der Mitteltrieb läuft ungewöhnlich rund (ungewöhnlich für ein modernes Fernglas, sollte ich ergänzen :-), nicht zu leichtgängig, und offenbar auch sehr präzise. Was genau das "SF" (smart focus) bedeutet, konnte uns jedoch niemand erklären. Vielleicht ist es inzwischen ja "smart", wenn ein Mitteltrieb nicht ruckelt und hakt und einfach seinen Dienst tut. Zumindest bei diesen Demogläsern hat er das getan, gut so! Der Nahpunkt von 1.5m scheint unnötig ehrgeizig, man schielt und verrenkt sich die Augen bei dieser kurzen Entfernung.
Das Sehfeld - wow! Wie in guten alten Zeiten, sehr weit, dennoch gut zu überblicken. Ein Einblick wie beim Zeiss 7x42 Dialyt, sogar noch etwas weiter. Das Bild ist sehr hell und wirkt kühl, vielleicht sogar ein wenig zu kühl für ein Fernglas, das als "Birderglas" beworben wird - ob da nicht eventuell die Farbsättigung ein wenig leidet? Ich hatte nicht diesen Eindruck, aber genauere Feldtests wären hier angebracht.
Völlig Zeiss-untypisch ist die Randschärfe: Man kann das Fernglas guten Gewissens als randscharf bezeichnen. Wohl nicht bis ins Letzte ausgereizt wie beim Swarovski SV, dafür aber auch ohne die bekannten Nebenwirkungen. So ist die Verzeichnung gering, das Schwenkverhalten aber unauffällig, k=0.7 Korrektur halt :-) Wir hatten ein Zeiss 10x42 HT zum Vergleich. Letzteres hat ein kleineres Sehfeld, eine schlechtere Randschärfe und eine klassische, recht starke kissenförmige Verzeichnung. Im Vergleich mit dem SF wirkt das HT schon wie ein Oldtimer, wie ein Fernglas von gestern.
Farbsäume sind gut unterdrückt, ein wenig besser als beim Swaro 8.5x42, das wir zum Vergleich ebenfalls dabei hatten. Das SF ist so hell, dass ich unter den gegebenen Umständen (helles Tageslicht) keinen Unterschied zum HT fand. Das mag sich in der Dämmerung noch ein wenig zugunsten des HT verschieben. Leider: Wieder kein Objektivgewinde für Zubehör!
Was kann man von diesen ersten Eindrücken mitnehmen? Das SF ist ohne Zweifel das beste 10x42, das ich je gesehen habe. Wenn das 8x42 mit seinem riesigen Sehfeld von 148m/1000m ähnlich gut sein sollte, dann werde ich mich nur schwer zügeln können. Angesichts dieses Glases fragt man sich, was das HT eigentlich noch soll - es verblasst im Glanz des SF. Auch das Swaro 8.5x42 SV lässt Federn gegen diesen Konkurrenten. Zeiss muss natürlich noch zeigen, dass sie diese Präzision nicht nur beim Demoglas, sondern auch in der Serienproduktion bereitstellen können. Danach muss man sich heutzutage immer fragen, leider.
Zu den Abbildungen im Anhang:
sf10x42.jpg: Das 10x42 SF, und das neue "beste Fernglas der Welt für die Vogelbeobachtung"? Ja, so scheint es zu sein!
10x42sf_8.5x42sv.jpg: Zeiss SF (Swaro-Kopie) gegen das Original (8.5x42 SV). Ähnlich sind sie sich, aber es gibt auch Verbesserungen in der jüngeren Konstruktion.
ht_sf_sv.jpg: Zeiss 10x42 HT, Zeiss 10x42 SF, Swaro 8.5x42 SV
sf_ap.jpg: Damit ich nicht ins Bett gehen muss, ohne gemeckert zu haben: Eine Austrittspupille des SF hat eine gefährliche Falschlichtquelle - vielleicht die Spiegelung an irgendeiner Seite des Prismas. Solche Reflexe bleiben am Tage folgenlos, können in der Dämmerung jedoch unter Umständen ein fieses Streulicht erzeugen (weil dann die Augenpupillen aufgehen und dieses Falschlicht auffangen). Wir hatten jedoch keine Probleme, weil wir nur im hellen Tageslicht beobachten konnten. Was uns auffiel: Diese Reflexe waren in beiden Tuben, sowie bei beiden Modellen unterschiedlich hell. Es muss also eine Möglichkeit geben, sie zu unterdrücken.
Meine Bitte an Zeiss: Schaut hier noch einmal nach, bevor die ganz große Serienproduktion anläuft, denn hier könnte der Unterschied liegen zwischen einem tadellosen Spitzenglas und einem nur bedingt tauglichen Premiumglas.
Viele Grüße,
Holger