Hallo Holger,
Bei der üblichen Angabe der Augenauflösung von 60 Bogensekunden wird ja von der Tagbeobachtung eines Normalsichtigen ausgegangen. Beide Voraussetzungen bieten Interpretationsspielraum.
Zum einen sind Leute mit überdurchschnittlichem Visus gar nicht selten und Herr Fritzen hat mal darauf hingewiesen, dass man Fernglaskonstruktionen deshalb üblicherweise auf einen Visus von 1,6 oder ca. 38 Bogensekunden auslegt, das würde schon in die Nähe der im Test angegebenen Bestwerten für 10fach Gläser kommen. (Es gibt sogar Leute mit einem Visus um die 2, die schafften also 30 bzw. mit 10-fach Glas 3 Bogensekunden)
Zum anderen bezieht sich der Test in einer Astronomiezeitschrift - der mir leider nicht vorliegt - doch vermutlich auf Sternbeobachtung. Auf den Unterschied von Punkt und Linienauflösung (Cassinispalte) hattest Du hier schon mal hingewiesen. Von den üblichen Auflösungskriterien für die Trennbarkeit zweier Punkte (Rayleigh, Dawes oder Sparrow, siehe www.licha.de/astro_article_mtf_telescope_resolution.php) scheint das Sparrowkriterium bei astronomischen Beobachtungen feiner Linien empirisch am ehesten hinzukommen. Danach könnte man durch einen idealen Refraktor mit 42mm Öffnung etwa 1,7 Bogensekunden auflösen, bei einem Fernglas mit Prismenumkehrsatz wohl nur über 2 Bogensekunden, aber auch das läge ja noch unter den im Test bestimmten Bestwerten. (Vermutlich weil man bei der Nachvergrößerung nur bis zu einer AP knapp über 1mm gegangen ist und nicht bis an die bei Ferngläsern mögliche Grenze von vielleicht 0,8mm)
Interessant ist vielleicht aber auch ein anderer Ansatz von Herrn Zellhuber (siehe www.zellix.de/kuester.htm), der sich nicht nur gefragt hat, bis zu welcher Differenz an Bogensekunden er mit einem 80mm Refraktor bei AP 0,5mm noch zwei künstliche Sterne trennen konnte, sondern wie lange er deren Überlappung noch an der "Unrundheit" des mehr und mehr verschmelzenden gemeinsamen Bildpunktes erkennen konnte. Er kam bei seinen Tests für den minimal wahrnehmbaren Unterschied in der Punktförmigkeit der Abbildung auf einen Wert von 0,03 Bogensekunden. Überschlägig übertragen auf ein Fernglas mit 42mm Öffnung und Umkehrsatz und bei einer AP knapp über 1mm wie im interstellarum-Test käme man dann auf etwa 0,1 - 0,2 Bogensekunden, die dem Auge bei der Sternbetrachtung als minimale "Un-Punktförmigkeit" eines Sterns schon auffallen könnten.
Vielleicht könnten solche Dinge den im Test gefundenen "engen Zusammenhang zwischen dem Auflösungsvermögen einer Optik und der sich bei einem Sterntest zeigenden Punktabbildung" erklären helfen und den von Dir monierten Widerspruch zur allgemein anerkannten Lehre bei Tagbeobachtung auflösen. Dort ginge die "Unrundheit" sich zunehmend überlappender Bildpunkte in den viel schwächeren Kontrastverhältnissen unter, so daß hier das viel höher liegende Rayleigh-Kriterium für Trennbarkeit der am Tag wahrnehmbaren Auflösung besser entsprechen dürfte.
Viele Grüße
3-mal bearbeitet. Zuletzt am 24.10.10 02:42.