Dieses Fernglas war ein typischer Impulskauf: In einem internationalen Forum tauchte die unschuldige Frage auf, ob das genannte Fernglas etwas taugen würde. Minuten später hatte ich den Kaufpreis nach Hongkong überwiesen.
Da war keine Fehlstelle zu schließen, kein noch so an den Haaren herbeigezogener Bedarf konstruierbar und der Kontostand schrie auch nicht gerade danach, mal wieder dringend reduziert werden zu müssen.
Aber es gab einfach zu viele Punkte, die mich reizten. Zuerst natürlich die Firma Miyauchi. Inzwischen leider nicht mehr existent, genießen ihre Produkte immer noch einen guten Ruf. Man kann schon sagen, dass sie Grossferngläser mit populär gemacht haben.
Und die Werbelyrik spricht von kompromissloser Qualität. Kein Einsteiger- oder Mittelklassemodell also, welches Luft nach oben lassen soll oder muss. Der explizite Verweis auf Sonderglas. Die leicht verrückte Idee der Wurzelholzapplikationen. Made in Japan.
Zudem gibt es kaum etwas darüber im Netz zu finden. Ein echter Exot also. Das ganze zum Preis eines chinesischen Mittelklassefernglases. Wie gesagt: Impulskauf. Der Vorteil daran: Ich habe bereits ein gutes 8x42 (Leica Ultravid BL), mit dem ich vergleichen kann und werde.
Was kam also an? Ein Karton mit geprägtem Firmennamen, darin neben dem Fernglas eine weiche Kunstledertasche, ein Riemen mit nicht alltäglicher Farbkombi (natur/nachtblau mit brauner Schrift und braunen Lederapplikationen), Abdeckungen und eine kurze Anleitung. Das Zubehör macht einen hochwertigen Eindruck, die Abdeckungen passen und lassen sich gut bedienen.
Das Fernglas selbst ist tadellos verarbeitet. Alles passt perfekt, nichts hinterlässt einen zwiespältigen oder lieblosen Eindruck. Die Kombination aus matt dunkelgrauer Gummiarmierung und Wurzelholz ist visuell gewöhnungsbedürftig. Aber das Holz greift sich sicher und angenehm, wobei man von Holz natürlich nichts spürt, sondern nur vom Lack.
Die Augenmuscheln haben drei Raststufen. Voll eingefahren kann ich das Bildfeld locker mit (Sonnen)Brille beobachten. Je nach Haltung könnte ich sonst die mittlere oder voll ausgefahrene Rastposition nutzen. Das Ultravid verzichtet auf die meist nutzlose Mittelposition zu Gunsten einer Raststufe kurz vor Vollauszug. Aber das EXLD hat nicht nur auf dem Papier den größeren Pupillenabstand (16,6mm bzw. 19,5mm von der Linse gerechnet vs. 15,5mm nicht näher spezifiziert), er ist auch am längeren Auszug der Augenmuschel zu erkennen.
Ein Blick auf die Objektive zeigt sehr effektive Vergütungen, die scheinbar noch etwas weniger Reflexe zeigen als beim Ultravid. Innen sieht das System von Blenden und Rillen am Ultravid etwas effektiver aus, wobei auch das EXLD sorgfältig gerillt und geschwärzt ist. Der Mitteltrieb läuft beim Miyauchi weicher und gleichmäßiger, wobei mich der leicht rauhe Gang am Leica-Mitteltrieb nicht stört.
Äußerlich gibt es jedenfalls meiner Ansicht nach einen Gleichstand. Die geradlinige Eleganz des Leica Ultravid erreicht das Miyauchi EXLD zwar nicht, ist aber ebenso gut verarbeitet und mit seinem Holzgriff ein echter Hingucker. Die mitgelieferte gefütterte Kunstledertasche finde ich sogar besser als die dünnere Cordura-Tasche von Leica.
Und optisch? Ich bin nicht sonderlich empfindlich für Farbfehler, aber gerade im direkten Vergleich mit dem Miyauchi EXLD sehe ich die Farbsäume im Leica Ultravid an kritischen Stellen dann doch deutlich. Es verleidet einem sicher nicht den Blick durch das Leica, aber im Miyauchi kann ich einfach keine Farbsäume finden. Erst eine forcierte Verschiebung der Pupillen gegenüber der optischen Achse erzeugt Farbsäume.
Ich habe lange versucht, Unterschiede in der Schärfe zu finden. Ich habe Gebäude, Bäume, Straßenschilder, Vögel und Sterne angesehen. Ich habe auf den Rand fokussiert und die Mitte verglichen und andersherum. Ich finde keinen relevanten Unterschied. Beide Gläser sind in den mittleren 65 bis 70% absolut scharf und lassen dann leicht nach. Dieser im Normalbetrieb kaum wahrnehmbare Randabfall kann zum größten Teil nachfokussiert werden.
Dennoch gibt es Unterschiede. Das EXLD scheint etwas stärker zu vergrößern. Ich habe zwar davon gehört, dass ein etwas engeres Bildfeld (122 vs. 130m auf 1.000m Entfernung) das anvisierte Objekt größer erscheinen lassen kann, aber ich denke, hier handelt es sich nicht (nur) um diesen Effekt.
Die Verzeichnung ist ebenfalls anders, beim Leica stärker kissenförmig, dafür gibt es beim Miyauchi einen Ansatz von Globuseffekt beim Schwenken.
Die Kontraste sind in beiden Gläsern hoch, Leica hat hier aber die etwas kräftigeren, gesättigteren Farben. Gerade bei Grün fällt (mir) das auf. Dafür ist in der späten Dämmerung das Bild im Miyauchi noch etwas heller.
Welches Glas ist also besser? Die Unterschiede sind so minimal, dass es für mich nicht zu entscheiden ist. Auch befragte Kollegen sagten nur, dass beide Gläser exzellent seien. Mir gefällt im direkten Vergleich am Miyauchi EXLD die Freiheit von Farbsäumen und die leicht höhere Vergrößerung gut und ich kann es besser halten als das extrem schlanke Leica Ultravid. An diesem mag ich die grandiose Farbsättigung und das ganz leicht angenehmere Schwenkbild. Auch ist das äußere Erscheinungsbild unübertroffen. Aber alle Unterschiede sind subtil und gleichen sich in der Gesamtbetrachtung aus.
Ich finde, das ist ein Kompliment, welches man dem Miyauchi machen muss. Bedenkt man, dass es schon Anfang 2006 auf den Markt kam und damals ca. 800 Euro kosten sollte, um so mehr. Das Sehfeld ist nicht das größte, und die Naheinstellgrenze ist mit 3m (Datenblatt; ich komme auf ca. 2,5m) nicht fussspitzentauglich, das mag nachteilig empfunden werden. Die Daten entsprechen übrigens fast vollständig denen des Nikon 8x42 HG-L DCF. Im Hinblick auf japanische Traditionen könnte es vielleicht die gleiche Optik enthalten.
Soweit dazu, für Fragen stehe ich gerne zur Verfügung.
Viele Grüße,
Sebastian
