Seit einem Vierteljahr verwende ich das Kowa TSN 883 zur Vogelbeobachtung und denke, dass ich einen ersten Erfahrungsbericht abgeben kann.
Es macht viel Spaß, mit diesem Spektiv Vögel zu beobachten! Dazu trägt vor allem der ausgezeichnete Kontrast bei. Ich konnte mit mehreren Leica APO 77 vergleichen: Der Farbunterschied zwischen schwarzem Schnabel und dem schwarzen Kopf einer Nebelkrähe in 150 m Entfernung wird z.B. am Tage bei bedecktem Himmel vom Kowa deutlicher wiedergegeben als vom Leica APO 77 (Baujahr etwa 1997), das ja bereits ein kontrastreiches Bild zeigt. An einem bedeckten Morgen konnte ein sitzender Mäusebussard in etwa 800 m Entfernung mit dem Kowa 883 problemlos auf Anhieb bestimmt werden, mit dem Leica APO 77 (Baujahr 1994) machte es dagegen Schwierigkeiten (beide Geräte mit 20...60 Zoom). Wenn die Luftbewegung es zulässt, erhält man mit dem Kowa auch noch bei 60facher Vergrößerung ein sehr scharfes Bild. Zur Leistung des TSN 883 in der Dämmerung: Einen 30-40 m entfernten Sperlingskauz konte ich noch nach Sonnenuntergang unter aufkommendem Mondlicht erstaunlich gut ins Bild bekommen und sah das Tropfenmuster der Oberseite deutlich. Das fand ich doch sehr überzeugend. Aber: Einige z.B.in der Zeitschrift "Vögel" stehende Formulierungen über die optische Überlegenheit des Kowa 883 gegenüber allen anderen Spektiven können Leser dazu bringen zu glauben, man könnte mit dem Kowa noch Gefiederdetails erkennen, während man mit anderen Spektiven nicht einmal mehr die Art bestimmen könne. Das stimmt wie vermutet zumindest ab einer gewissen Helligkeit nicht, so groß ist der Unterschied nicht. Drei Besitzer eines Leica APO 77 (Baujahre etwa 2004, 1997, 1994) äußerten sich nach Vergleich mit dem Kowa 883 bei Tageslicht jedenfalls so, dass sie den Unterschied für nicht so groß hielten, dass sie deshalb auf das Kowa umsteigen würden.
Der Spektivfuß des 883 ist so konstruiert, dass der Verdrehsicherungsstift der Schnellkupplungsplatte ohne Spiel passt. Das Spektiv verdreht sich deshalb nicht, wenn man es auf dem Stativ auf der Schulter trägt.
Nun komme ich zu dem, was mir am Kowa 883 nicht gefällt. Kowa legt zu wenig Wert auf das Anvisieren. Bei nahe dem Horizont fliegenden Vögeln oder schwimmenden Wasservögeln ist alles kein Problem. Wenn man aber in steilem Winkel hoch am Himmel fliegende Vögel beobachten möchte, dann habe ich zumindest mit dem Spektiv in der Bereitschaftstasche und dem 20...60 Zoom große Probleme, sie ins Spektiv zu bekommen - da kommt man wohl an der Verwendung des 30fachen Okulars nicht vorbei. (Schon das Kowa 823 hatte keine gute Visierhilfe). Vögel, die man nicht ins Bild bekommt, kann man als Vogelbeobachter gar nicht gebrauchen. In dieser Hinsicht ist aber das Leica APO 77 vorbildlich! Die Kowa-Bereitschaftstasche gefällt mir auch nicht so gut wie die des Leica APO 77. Zieht man den Teil ab, der das Okular schützt, so geht sehr leicht der Gummischutzdeckel für das Okular verloren. Evtl. könnte auch eine verbesserte Bereitschaftstasche das Anvisieren erleichtern. Mit dem TSN 884 dürfte das Visieren wohl einfacher sein.
Ein oder zwei Teilnehmer hier im Forum kritisierten Reflexe des (übrigens wasserdichten) 20...60 Kowa Zoom-Okulars bei Gegenlicht und etwa 20facher Vergrößerung. Ich habe eine solche Situation bewusst herbeigeführt, da sah ich dann aber auch schon bedenklich nah an der Sonne vorbei, als die Reflexe auftraten. Sie verschwanden ab ca. 25facher Vergrößerung. Diese Reflexe sah ich in der Beobachtungspraxis bisher nicht.
Ich schütze die Frontlinse eines Spektivs gerne mit einem Schutzfilter. Das Kowa 883 aber hat das Filtergewinde leider vorn an der Sonnenblende. Dadurch erhöht sich zwar der Abstand des Filters zur Frontlinse, aber bei Regen hätte man die Regentropfen sofort auf dem Filter, und was der Filter da vorne mit dem Licht macht, müsste man prüfen. Ich verzichte jedenfalls auf einen Schutzfilter unter diesen Umständen.
Mein persönliches Fazit: Das Kowa TSN 883 ist aus meiner Sicht dem Leica APO (Baujahre s.o.) und dem Diascope 85 FL (Baujahr 2003) in der Abbildungsleistung überlegen, es ist aber m.E. nicht so, dass es in einer völlig anderen Liga spielen würde als die Konkurrenz. Die Visiereinrichtung und die Lage des Filtergewindes sind aus meiner Sicht verbesserungswürdig. Jeder, der jetzt ein neues Spektiv zur Vogelbeobachtung kaufen möchte, ist selbst schuld, wenn er nicht wenigstens vergleichsweise durch ein Kowa TSN 883 hindurchsieht. Und wer sich jetzt zur Vogelbeobachtung kein Kowa 883/884 kauft, sondern ein anderes der 80er Klasse, wird m.E. wohl kaum argumentieren können, dass ihn eine bessere Abbildungsleistung des Konkurrenzmodells dazu bewogen hätte.
Der Abstand in der Abbildungsqualität zwischen einem Kowa 883 und einem Kowa 771 scheint übrigens erheblich zu sein. Ein Bekannter wollte sparen und war mit dem 771 so unzufrieden, dass er es zurückgab und doch das 883 gekauft hat.
MP
2-mal bearbeitet. Zuletzt am 18.03.08 00:30.