Nachdem ich mich bisher aus dieser Diskussion (nicht zuletzt wegen der Abschweifungen zur Kuhaugenpupillengröße, deren Witz mir nicht aufgeht) herausgehalten habe und Sie sich – aus Frust über mangelnde Ergiebigkeit der Ratschläge? – ein zweites Mal gemeldet haben, um den wesentlichen Aspekt Ihre Auswahl hervorzuheben, kommt nun auch ein Rat von mir.
Es kommt Ihnen also sehr auf die 12fache Vergrößerung an, während die Zahl „45“ als Öffnungsdurchmesser wohl nicht unbedingt eine „conditio sine qua non” ist. 12fach gibt es bei noch mehreren anderen Ferngläsern, z.B. als 12x50. Insofern gäbe es als noch zahlreiche Alternativen. Daß Sie sich ausgerechnet auf das Conquest fixiert haben, deute ich als Zeichen dafür, daß es Ihnen 1. auf ein geringeres Gewicht als bei den 12x50-Gläsern und 2. auf einen günstigeren Preis oder wenigstens auf einen dieser beiden Punkte besonders ankommt.
Ich sehe dann als eine noch sehr interessante und in Erwägung zu ziehende Alternative das Canon 12x36 IS II (die römische Zwei ist wichtig!), denn dieses bildstabilisierende Fernglas ist mit ca. 680 g noch so leicht, daß man es gut überall hin mitnehmen und den ganzen Tag umgehängt tragen kann, ohne daß es allzu lästig wird. Allerdings ist es etwas voluminöser als das Conquest, aber mich stört großes Volumen viel weniger als großes Gewicht. Die Bildstabilisierung ist gerade bei dieser schon über der üblichen Zittergrenze liegenden Vergrößerung ein Riesenvorteil. Die optischen Qualität ist für diesen Preis erstaunlich gut, auch am Bildrand. Sie sehen dank der Bildstabilierung sogar weit mehr Details, als Ihnen die noch um Nuancen besseren Topgläser der Edelanbieter zeigen, wenn diese nicht auf einem Stativ zitterfrei aufgestellt sind; ich sehe freihändig z.B. eindeutig mehr als mit dem optisch sicher besseren und zur aboluten Spitze zählenden Nikon 10x32 HG (L). Das Sehfeld 60° ist nicht überwältigend, aber ausreichend groß und sogar ein bißchen größer als beim Conquest. Daß Batterien benötigt werden, ist kein Gegenargument, denn man kann oft, wenn es nicht auf feinste Details ankommt, ohne Betätigung des Bildstabilisierungsknopfes schauen, sieht dann nicht weniger als bei nicht stabilisierenden Ferngläsern und braucht dann keinen Strom, hat aber, wenn es die gewünschte Detailerkennbarkeit erfordert, jederzeit die Möglichkeit, diesen „optischen Nachbrenner” zuzuschalten. Mit den ca. gut 4 Stunden Laufzeit eines Batteriesatzes (2 Mignonzellen) kommen Sie wahrscheinlich viele Wochen aus, denn wer schaut schon „4 Stunden im Stück” durchs Glas (ich nehme an, daß Sie nicht Leuchtturmwärter sind). Ob Sie sich die Kosten von 2 Mignonzellen pro Monat oder über einen längeren Zeitraum als Obulus für die höhere Sehqualität finanziell leisten können, müssen Sie selbst entscheiden.
Das Canon 12x36 IS II ist ein wenig lichtschwächer als das Conquest (AP 3 mm gegenüber 3,75 mm). Ob das bei Ihnen eine Rolle spielt, hängt davon ab, ob Sie nur oder vorwiegend tags beobachten oder bis in die Dämmerung hinein. Aber vergessen Sie auch dabei nicht zu berücksichtigen, daß die bessere Detailerkennbarkeit aufgrund der Bildstabilisierung auch bei weniger Licht möglicherweise den Nachteil der etwas kleineren AP kompensieren kann.
Das Canon 12x36 IS II ist nicht wasserdicht. Da ich in Ihrem ersten und zweiten Beitrag aber nichts finde, was darauf hindeutet, daß Ihnen Wasserdichtheit wichtig wäre, würde ich der Argumentation von Herrn Dr. Severin nicht ganz folgen. Sollten Sie (unausgesprochen) doch auf Wasserdichtheit Wert legen, finden Sie diese beim Conquest, aber nicht bei diesem Canon.
Ein bei manchen Anwendungen gravierender Nachteil des Canon 12x36 IS II ist dessen viel zu weite Naheinstellgrenze, die laut technischen Daten von Canon bei 6 m liegen sollte, tatsächlich aber weiter ist (mein erstes Canon 12x36 IS II hatte 7,95 m Nahgrenze bei nicht fehlsichtigem bzw. korrekt brillenkorrigiertem Betrachterauge, mein nach Reklamation bei Canon umgetauschtes zweites hat 7 m Nahgrenze, also immer noch 1 m mehr als die ohnehin schon mäßigen angegebenen 6 m. Der Grund für diesen Mangel liegt darin, daß das 12x36 IS II kein komplett neu konstruiertes Fernglas ist, sondern sozusagen ein „aufgebohres” 10x30 IS. Man hat einfach dessen kompletten Fernglaskörper mit Prismen, Bildstabiliserung, Fokussierung und Okularen 1:1 übernommen und nur vorn größere Objektive mit um 20% längerer Brennweite eingebaut. Da sich die Bildweite im Nahbereich bei längerer Brennweite aber erheblich mehr vergrößert als bei kürzerer Brennweite, mußte man wegen der unverändert vom 10x3o IS übernommenen Fokussierung mit für die längere Brennweite zu knapp bemessenem Fokusierweg eben die verschlechterte Naheinstellung hinnehmen. Das Conquest 12x45 ist aber mit 5 m Nahgrenze auch nicht gerade Weltmeister auf diesem Gebiet. Dieses Problem ist der Grund, weshalb ich z.B. mein Nikon 10x32 HG mit ca. 2 m Nahgrenze viel häufiger als das Canon 12x36 IS II in die Natur mitnehme.
Bleibt als letzter Punkt noch ein kleiner Vorbehalt: Die Bildstabiliserung erfordert leichtbewegliche Teile (in diesem Falle die Vari-Angle-Prismen mit Magneten oder Motoren als Antrieb). Das macht solche Ferngläser deutlich empfindlicher gegenüber Stößen, Stürzen oder Vibrationen. Wenn diese Gefahren in Ihrer speziellen Anwendung zu befürchten wären, sollten Sie sich nicht fürs Canon 12x36 IS II entscheiden, sondern das gewiß viel robustere Conquest wählen.
Da ich selbst auch ein Canon 12x36 IS II sowie schon viele andere hochwertige Ferngläser habe oder hatte, kommen diese meine Empfehlungen nicht aus dem hohlen Bauch, sondern aus eigener praktischer Erfahrung. Ich hoffe, diese teil lobenden und teils kritischen Worte zum Canon 12x36 IS II können Ihnen bei der Entscheidung für Ihr „richtiges“ Fernglas behilflich sein.
Walter E. Schön