Möglicherweise geht die ganze Diskussion etwas am Ziel vorbei oder ganz in die Irre. Haben Sie alle schon einmal über Ihre früheren Sehgewohnheiten nachgedacht, in einem möglicherweise schon länger zurückliegenden Teilabschnitt Ihres Lebens? Mit Sicherheit - die eingefahrenen Gleise, nicht wahr? Und sind Sie nicht alle irgendwann einmal an einer bis dato noch gar nicht bekannten Stelle gewesen, wo Ihnen ein Fernglas urplötzlich eine völlig neue und andersartige Welt eröffnet hat, zusätzlich zu der Ihnen bereits bekannten, nur für Sie - und fast umsonst (bekommt man doch ganz gute gebrauchte Porroprismengläser schon zu Preis von zwei Theaterkarten). Wenn Ihnen das bereits widerfahren ist, wenn Sie also zu einer Erweiterung des Sehfeldes - im poetischen Sinne, und naturgemäß damit des Sehens und Begreifens im physikalischen und psychologischen Sinne - mithilfe einer erschwinglichen Optik gelangen, wissen Sie was das ist? Das ist ganz großartig! Und jetzt hören Sie doch mal auf, sich gegenseitig über Sinn und Bedeutung einer, in welchem Maße auch immer höheren Transmission und deren eingehender Erörterung, so über Gebühr aufzuregen.
Früher oder später kann man sich geräteseitig verbessern, ohne Frage, und viele werden das tun, wenn sie regelmäßig die sehr sachlichen, spannenden und zum Teil auch einfach schönen Beiträge in diesem Forum verfolgen. Die „Fulguration", die Sie jedoch an die Materie zunächst heranführt und dann bindet, die ist das Entscheidende. Wenn es damit hapert, bleibt die ganze Zankerei um „Nanometer", Prozente in der Randschärfe, Farbsäume an Antennen etc. pp. so seltsam seelenlos. Daß man mit einem hochwertigen Fernglas von der Physik, Ergonomie und Haptik her, in der Tat ein ganz schönes Stück besser als durchschnittlich bedient wird – das sollte doch niemand ernsthaft bestreiten wollen. Aber auch die zahlreichen anständigen Gläser, die es für kleines Geld aus früheren Jahrzehnten zu erwerben gibt, oder auch ganz brauchbare Neue, die deutlich unter der Grenze der Luxusklasse anzusiedeln sind, all die haben eine Berechtigung, nämlich die, einen Einstieg in eine andere Welt zu ermöglichen, die ohne Fernglas für uns so nicht existiert.
Wem dieses Glück nicht vergönnt ist, dem bleibt in der Tat nur (s)ein teures Prestigeobjekt und damit ein trostloser Anlass zur Erbsenzählerei. Die anderen aber, die beschlageneren unter den hiesigen Teilnehmern, die über umfassende Kenntnis verfügen und diese auch vermitteln können, die haben eine ganz wichtige Aufgabe in der sachbezogenen Motivation von Menschen, denen sich in der Folge – bei etwas gutem Willen – die Augen öffnen. Es ist nicht egal mit welchem Glas, aber es ist schlimm, wenn man es gar nicht erst versucht.
Schönen Tag noch!
Textoris