Da zur Schärfentiefe immer wieder Regeln und Mutmaßungen geäußert werden, die objektiv falsch sind (wie erst neulich hier im Forum), möchte ich hier aus gegebenem Anlaß erneut karstellen:
Die wichtigsten für die Schärfentiefe maßgebenden Parameter sind in der Reihenfolge der Wichtigkeit:
1. Akkomodationsfähigkeit des Auges (ältere Menschen mit verminderter Akkomodation, insbesondere Alterssichtige ab ca. 50 Jahren nehmen eine deutlich geringere Schärfentiefe wahr als junge, die strenggenommen nicht in den Genuß größerer Schärfentiefe kommen, sonder deren Augen noch in der Lage sind, die „falsche” Fokussierung durch Akkomodation auszugleichen, das Auge also auf stärker abweichende Entfernung scharfzustellen).
2. Entfernung (auf sehr große Entfernungen ist die Schärfentiefe sehr groß, im Nahbereich wird sie sehr klein).
3. Vergrößerungsfaktor des Fernglases (er geht umgekehrt proportional quadratisch ein, hat also sehr großen Einfluß!).
4. Pupillengröße (hier ist die effektive Eintrittspupille des Auges entscheidend, nämlich der kleinere Wert aus a) Austrittspupille des Fernglases und b) der aus der Bildhelligkeit resultierenden Augenpupillengröße)
4.1 bei hellem Tageslicht ist praktisch immer die Augenpupille größer als die Austrittspupille des Fernglases, so daß man für die Tagesbeobachtung die Größe der Fernglas-Austrittspupille (= Obejktivsdurchmesser dividiert durch Vergrößerung) ignorieren kann.
4.2 In der Dämmerung kann die Öffnung des Fernglases bei gleicher Vergrößerung wegen der daraus resultierenden größeren Austrittspupille die Schräfentiefe herabsetzen, sofern aufgrund geringer Umgebungshelligkeit die Augenpupillen weiter geöffnet sind als die kleinere Austrittspupille der zwei miteinander verglichenen Ferngläser. Dieser Effekt ist jedoch nur umgekehrt linear proportional wirksam, spielt also eine deutlich geringere Rolle als der Vergrößerungsfaktor, wie gesagt aber auch nur bei geringer Helligkeit!
5. Die Transmission (Lichtdurchlässigkeitsgrad) des Fernglases kann indirekt eine sehr kleine zusätzliche Rolle spielen, weil aufgrund des helleren Bildes die Augenpupille minimal stärker verengt wird und dann auch die Schärfentiefe gemäß Punkt 4 minimal wächst.
Die wirklich entscheidenden Punkte sind die unter 1, 2 und 3. Da Punkt 1 nicht vom Fernglas abhängt, sondern vom Beobachter, können wir Punkt 1 als Kriterium zur Fernglasbourteilung streichen, und es bleiben dann letztlich nur die Punkte 2 und 3 als maßgebliche Größen.
Wie schon mehrfach an anderen Stellen von mir betont, läßt sich entgegen weitverbreiteten Ansichten die Schärfentiefe nicht durch spezielle optische Konstruktionen, z.B. spezielle Okulare, beeinflussen. Entsprechende Behauptungen, z.B. mancher unseriöser oder unwissender Händler, gehören ins Reich der Fabeln.
Fazit: Ein Trinovod oder Ultravid 10x42 bietet bei Tageslicht beim selben Beobachter (also für ein vorgegebenes Akkomodationsvermögen) und Einstellung auf dieselbe Entfernung ein und dieselbe Schärfentiefe wie jedes beliebige andere 10fach vergrößernde Fernglas, egal ob von Leica, Swarovski, Zeiss oder einen Billiganbieter wie Tschibo oder Soligor.
Das Duovid ist also NICHT „theoretisch Ihrem 10x42 überlegen”, sondern hinsichtlich der Schärfentiefe diesem garantiert gleichwertig. Ein 12fach vergrößerndes Fernglas hat eine geringere Schärfentiefe als ein 10fach vergrößerndes, und zwar um den Faktor 1:(v1:v2)ˆ2 = 1:(12:10)ˆ2 = 1:1,2ˆ2 = 1:1,44 = 0,694 (d.h. es bietet nur 69,4% der Schärfentiefe eines 10fach-Fernglases). Bei 15facher Vergrößerung ist das Verhältnis der Vergrößerungen 15:10 = 1,5, das Quadrat davon 2,25 und somit die Schärfentiefe als Kehrwert davon nur 1:2,25 = 0,444 oder 44,4% derjenigen bei 10facher Vergrößerung. Das ist der Grund, weshalb man bei 15facher Vergrößerung viel öfter nachfokussieren muß als bei 10facher.
Ich kann aus eigener Erfahrung mehr zum Duovid 8-12x42 als zum Duovid 10-15x50 raten. Es ist fast 200 leichter und läßt sich bei ruhiger Hand in beiden Vergrößerungsstufen noch freihändig einsetzen (die 15fache Vergrößerung ist freihändig kaum mehr nutzbar), aber auch die scheinbaren Sehwinkel sind beim Duovid 8-12x42 merklich größer als bei großen Duovid 10-15x50, wo man insbeondere bei der kleineren Vergrößerung 10x nicht mehr weit vom sog. „Tunnelblick” entfernt ist. Auch muß man bei den stärkeren Vergrößerungen des großen Duovids gemäß der obigen Erklärung viel öfter nachfokussieren, was speziell im Nahbereich (also nicht auf viele Kilometer wie beim Marineeinsatz oder auf 100 und viele 100 Meter wie bei vielen Zugvogel- und allgemeinen Landschaftsbeobachtungen, sondern vielleicht auf 10 m, 20 m oder auch nur 5 m, wie bei den genannten Inspektionsanwendungen) durchaus ein wichtiges Kriterium sein kann.
Walter E. Schön