Da grad ein Schatten auf meiner Seele liegt, muss ich eine längere Geschichte mit unschönem Ausgang loswerden.
Das beste Glas, das ich je erwarb, kommt aus dem Hause Nikon und heißt EDG 8x42. Bei der Entscheidungsfindung hat mich seinerzeit der Forist Dr.Schäfer beraten, wofür ich ihm immer noch sehr dankbar bin. Mich hat am großen EDG nie gestört, dass es etwas schwerer als die Konkurrenz ist, da ich mir wegen kaputter Nackenwirbel ohnehin kein Glas um den Hals hänge (nicht mal ein 8x32). Das Bild ist knackig, das Sehfeld groß. Der Kontrast ist vom feinsten, der Einblick lässig. Die Streulichtunterdrückung ist genial. Der Focus ist schnell und läuft geschmeidig wie präzis. Farbsäume gibt es keine. Was kann man mehr wollen (wenn noch kein Victory SF am Markt ist)?
Das Glas hatte bei Erwerb einige Macken (Knickbrücke zu lasch – ein Tubus sank bei einhändigem Gebrauch immer nach unten, Fettaustritt bei geringfügig wärmeren Außentemperaturen, Dioptrieneinstellung pflegte sich ohne Zutun zu verstellen, Gummierung löste sich vom Metallkorpus). Alle vier genannten Mängel wurden vom Service innerhalb der Garantiezeit zu meiner Zufriedenheit abgestellt. Allerdings wurde ich vom Fotohändler darauf hingewiesen, dass es sehr lange dauern könne, je nachdem, ob in Deutschland repariert oder das Glas nach Japan zur Reparatur verschickt werde. Letztlich wurde das Glas in D verarztet und es dauerte dennoch recht lang (wohl deutlich über sechs Wochen). Danach war das Glas aber weitgehend in Ordnung und ich hatte das (für mich) beste Glas der Welt. Dass sich die Gummierung nach dem Service schneller wieder löste als die ab Werk aufgebrachte, konnte ich verschmerzen.
Irgendwann 2017 nahm das Fernglasglück ein jähes Ende als ich bei fortgeschrittener Dämmerung nach der Pirsch auf Späuze in der Sächsischen Schweiz auf einen Felsen stürzte. Zwischen dem Felsen und mir lag das EDG, das ich in einer Tasche am Gürtel trug. Seither spürt man beim Fokussieren einen wechselnden Widerstand beim Drehen des Mitteltriebs. Da ist sicher die zentrale Welle deformiert und läuft unrund. Man kann aber noch perfekt fokussieren, auch genau, nur dass es mit der Geschmeidigkeit vorbei ist. Für den Fall dass das Glas wieder mal lange bei Nikon zirkuliert, erwarb ich als Zweitglas das Nikon E II 8x30, mir als Holger Merlitz‘ Immer-dabei-Glas bekannt. Als ich Mai 2018 mit Holger Merlitz Spektiv testete, meinte er zum EDG, wenn der Widerstand beim Fokussieren nicht störe, könne man es auch so belassen. Da es mich mit der Zeit aber doch gewurmt hat und mir lästig wurde, sandte ich das gute Stück über meinen Händler zum Nikonservice. Mir war klar, dass die Reparatur teuer werden könnte, aber dafür hätte ich dann immerhin wieder ein 42er Edelglas (wenn auch, nachdem die Kinderkrankheiten beim Zeiss SF weg sind, nur noch das für mich zweitbeste). Nach zwei Wochen rief nun mein Händler an und sagte, das Glas sei vom Nikonservice zurück mit einem Begleitschreiben des Inhalts, das erforderliche Ersatzteil sei nicht mehr vorrätig bzw. werde nicht mehr produziert. Man biete aber als Trostpreis einen Warengutschein im Wert 20,00 (in Worten: ZWANZIG) Euro für den Erwerb eines neuen Glases an. Manchmal geht es nicht ohne Anglizismen. WTFH?!?!
In der Tat hatte ich mit dem Erwerb eines weiteren Nikonglases geliebäugelt. Da Zeiss noch kein 32er SF hat und das 32er Swarovision ein Gegenlichtproblem aufweist, wäre es das EDG 8x32 geworden – das (für mich) beste 32er Glas am Markt. Wie sagte ein goßer deutscher Fußballschaffender so unnachahmlich: wäre, wäre, Fahrradkette! Marzell hat sicher weise gehandelt, als er vom Erwerb eines Nikon Abstand nahm. Was mir an Marzells Bericht bemerkenswert erscheint, sind die Aufrichtigkeit und die Konsequenz des genannten Händlers, wegen dürftiger Dienstleistung auf Abstand zu Nikon zu gehen. Dies werde ich nun wohl auch tun, da die Söhne der Samurai heute offensichtlich nicht mehr ganz so viel Ehre im Leib haben. Man sollte doch wenigstens imstande sein, ein Glas was noch offiziell im Handel ist (auch wenn zuweilen von Einstellung der EDG-Reihe die Rede ist), zu reparieren. Welches Motiv sollte ich haben, einem Global Player, der den Service in Übersee mit der Arroganz der Großmacht handhabt („too big to fail“), nochmals mein Vertrauen zu schenken? Das fällt vorerst bis auf weiteres aus.
Nun heißt es warten auf das Victory SF 8x32 oder Abstriche bei meinem Anforderungskatalog machen und das kleine Swarovision kaufen. Oder auf Randschärfe verzichten und Farbsäume tolerieren, dann ginge das Ultravid 8x32. Dann könnte ich zur finalen Abrechnung mit dem Nikon-Mann schreiten und das EII 8x32 raushauen. Und das EDG 8x42 kommt dann hinter Glas zu den technischen Denkmalen neben das Nobilem 8x50B Super, welches ich jüngst beim Dealer des Vertrauens (es ist ein Kindheitstraum von mir –wir hatten ja in der DDR nichts außer der Hoffnung- und stammt aus Beständen eines Foristen) erstand.
Augen auf beim Fernglaskauf ! (Martin Luther – oder war es Karl Marx?)
Glück Auf! Reinhard