Kürzlich hatte ich im Thread "Kowa-Spektive mit und ohne M" beschrieben, dass im August 2017 ein Kowa Prominar TSN 553 Merkwürdigkeiten aufwies (ließ sich bei höheren Vergrößerungen gar nicht scharf stellen). Ein Düsseldorfer Kowa-Mitarbeiter hatte mir versichert, Anfangsprobleme seien abgestellt. Dazu hatte Holger Merlitz mir berichtet, er habe im August 2017 beim Dresdner Händler wohl durch das selbe Exemplar geblickt, was wohl einen Defekt hatte. Von beiden Aussagen einigermaßen beruhigt, orderte ich erneut ein "kleines Meisterstück" zu Ansichtszwecken. Weil noch eine gewisse innere Unsicherheit bezüglich meines optischen Urteilsvermögens nachwirkte, hatte sich Holger bereit erklärt, mir bei der Prüfung des Spektivs behilflich zu sein. So standen wir am vergangenen Samstag am Rand der Dresdner Heide. Als Vergleichsobjekt hatte ich mein 56er Hummingbird mitgebracht. Alle Zweifel waren verflogen, als das 553 in hundert Meter Entfernung feinste Strukturen auf Buchenrinde auch in verschatteten Partien auflöste. Holgers Frau als unbefangene Beobachterin fand das Spektiv auch gut, so dass ich meine angesparte Barschaft dem Händler übergab und dafür ein neues Stück synthetischen Fluorits nach Hause schaffte. Damit ist der Plan aufgegangen, schnell zuzuschlagen, bevor der Zilpzalp zurückkommt.
Abends fuhr ich in die Sächsische Schweiz um auf Rauhfußkauz und Sperlingskauz zu verhören. Ohne Erwartung eines Zufallserfolges glaste ich auf meinem Weg größere Öffnungen an Bäumen und Schwarzspechthöhlen ab. Da blickte mich völlig unverhofft aus der Einmorschung an einem Astausbruch das Gesicht eines Rauzes an. Wie im Buch beschrieben: die Federstellung der vermeintlichen "Augenbrauen" gibt dem Räuzchen einen überraschten Gesichtsausdruck. Ich war ganz glücklich ob des schönen Zufalls. Der Kleine und ich haben uns vierzig Minuten lang gegenseitig beobachtet (ich auf 100 m Entfernung mit dem Nikon EDG). Dann flog er in fortschreitender Dämmerung auf Arbeit. Einziger Wermutstropfen an der Geschichte: das frisch erworbene "Immer-dabei-Spektiv" lag wohlbehütet daheim.
Gestern und heute habe ich erste Beobachtungen mit dem kleinen Kowa gemacht. Es macht in der Tat ein sehr schönes Bild, ist aber deutlich schwerer und auch ausladender in den Abmessungen als das 56er Celestron Hummingbird. In die Jackentasche steckt man das nicht so nebenbei, aber im Rucksack spürt man das Gewicht kaum. Die Mechanik läuft sehr geschmeidig. Klar bin in gewisser Weise ein Anhänger des Herstellers Kowa. Dessen ungeachtet möchte ich mir aber auch zur "Lieblingsmarke" eine kritische Distanz bewahren. Daher soll nicht unerwähnt bleiben, dass das 553 auch deutliche Schwächen hat. Am auffälligsten ist der etwas anstrengende Einblick. Warum konnten die Söhne Nippons nicht ein paar Millimeter mehr AP-Abstand spendieren (meine These: Budjet war alle)? Das Sehfeld habe ich nicht ausgemessen (hab auch die Herstellerzahlen grad nicht auf Lager), finde es aber recht eng im Vergleich zum großen Kowa mit Zoomokular 20-60. Das sind jetzt keine fundierten physikalischen Messungen, aber erste Praxiserfahrungen. Es sieht ganz so aus, als sei das 553 ein niederschwelliges Angebot an den inneren Schweinehund, zusätzlich zuim Fernglas eben doch immer ein kleines Spektiv mit raus zu nehmen. Das Hummingbird kann nun eigentlich raus, sofern ich es nicht auf kleinster Vergrößerung für Dämmerungsbeobachtung nutze. Nochmal großen Dank an Holger für seinen fachlichen Rat.
Glück auf
Reinhard