Ein schönes Fernglas ist hier eingetroffen: Carl Zeiss Jena 12x50B Dodecarem. Ich bin ehrlich beeindruckt.
Was hatte ich erwartet? Ein "Eisenschwein" im Vorkriegsgewand, schwer und unmodern, zwar solide optische Leistung, aber deutlichen Farbstich (wie der unrühmliche Grünstich der späten DDR-Fotoobjektive).
Was ist es wirklich? Ein erstaunlich leicht wirkendes, durchaus modernes Gehäuse mit durchdachten Details, z.B. Gummiringe an den Objektiven, so dass das Fernglas leise und kratzerfrei auf harte Oberflächen abgestellt werden kann. So etwas vermisse ich an meinem belederten Ultravid. Der Mitteltrieb liegt so, dass ich am besten mit dem Mittelfinger fokussiere. Alle Einstellungen sind eher fest/schwergängig, aber nicht hakelig. Die Verarbeitung ist sehr gut, wenn auch nicht auf heutigem Top-Niveau. Die Handhabung ist ausgezeichnet, die ovalen Prismengehäuse lassen sich sicher greifen. Trotz 12-facher Vergrößerung kann ich das Glas daher (zumindest kurzfristig) ausreichend ruhig halten, um Vögel zu beobachten oder ein entferntes Schild zu lesen.
Die Schärfe ist bestechend hoch, die Kontraste gut (wenn auch nicht auf dem Niveau des 8x42 Ultravid BL). Die Verzeichnung ist hoch, dafür sind Schwenks völlig unproblematisch. Farbstiche fallen auch im direkten Vergleich mit dem Ultravid nicht auf. Im Papiertest zeigt sich eine leicht warme Einfärbung. Das Sehfeld ist in Ordnung aber nicht überwältigend (Herstellerangabe 90m auf 1.000m Entfernung). Zum Rand hin zeigen sich Farbsäume und ein sanfter Schärfeabfall.
Am Nachthimmel fallen die Fehler noch weniger auf, Sterne sind punktförmig und farbneutral, der Schärfeabfall zum Rand fällt noch weniger ins Gewicht. Aus der Hand macht es aber kaum Spaß, spätestens hier wird ein Stativ Pflicht.
Alles in allem ein Fernglas, das nicht den Eindruck überholter Technik hinterlässt, sondern durchaus tauglich für den ernsthaften Gebrauch erscheint.
Ausschlaggebend für den Kauf war letztlich der gerade erfolgte Service. Das war mir lieber als ein als "wenig gebraucht" angepriesenes, aber vielleicht jahrzehntelang eingestaubtes Schrankglas. In direkter Nachbarschaft des angestrebten halben Tausenders bin ich auch geblieben.
Viele Grüße,
Sebastian