Ich hatte letzte Woche mal die Gelegenheit, bei meinem Händler das Leica Noctivid 10x42 eine gute halbe Stunde zu begutachten. Natürlich ist das nicht genug Zeit, um wirklich Fundiertes sagen zu können, aber meine Eindrücke waren doch so, dass ich mich mit dem Glas noch näher beschäftigen werde, dann aber eher mit dem 8x42. Zum Vergleich hatte ich ein Zeiss 10x42 HT und (kurz) ein Ultravid 10x42 HD (ohne "Plus") des Händlers, dazu mein eigenes Nikon 10x42 SE, ein sehr frühes Exemplar, das aber optisch ausgezeichnet ist (und z.B. einen Booster besser verträgt als fast alle anderen Gläser, die ich mit dem Booster ausprobiert habe).
Zu Ergonomie, zur Fokussierung und zur Verarbeitung sage ich nicht viel, das hat Pinac schon umfassend und viel genauer getan, als ich es nach einer halben Stunde könnte. Nur soviel: Von der Ergonomie her ist das Glas etwas "gewöhnungsbedürftig", da gibt es bessere Lösungen (z.B. das SF oder das HT), aber dran gewöhnen würde ich mich können, und zwar schnell. Die Fokussierung ist de facto perfekt (vergleichbar am ehsten mit den schwarzen SFs, die ich bisher gesehen habe, oder den Nikon HGL), und bei dem Exemplar, das ich in der Hand hatte, waren die Austrittspupillen rund. Also alles im grünen Bereich.
Optisch - ich habe keine Ahnung, was Leica da gemacht hat, aber irgendwas haben sie gemacht. Auf jeden Fall ist das Glas deutlich anders (und besser) als das Ultravid. Hatte ich bisher bei allen Leicagläsern seit den ersten Trinovid BA aus den neuziger Jahren den Eindruck, dass das letztlich alles die gleichen Gläser sind, mit graduellen Verbesserungen, ist das Noctivid wirklich eine andere Nummer:
Es hat von allen Leicagläsern, die ich bisher in der Hand gehabt habe, den deutlich angenehmsten Einblick - man sofort "ist im Bild drin", auch wenn man noch nicht richtig scharfgestellt hat. Der Kontrast ist hoch, ganz egal, welchen Winkel man zum Licht hat - schwarz bleibt schwarz, weiß bleibt weiß, und zwar auch bei sehr kleinen Strukturen, die (für mich und meine Augen) an der Wahrnehmungsschwelle liegen, und die (für mich) bei vielen Gläsern zu undefinierbaren, wenn auch unterscheidbaren Grautönen werden. Die Kanten solcher kleinen Strukturen wirken scharf und definiert. Vom Farbton her wirkt das Bild "warm", ohne aber dabei nach meinem Eindruck die Farben zu verschieben, wie es z.B. die Trinovidgläser der 90er Jahre machen. Sehr angenehm. Der scharfe Bereich ist deutlich größer als beim Ultravid und erst recht beim HT, die Übergänge in den unscharfen Bereich sind sehr "weich", ebenfalls sehr angenehm. Das Nikon hat aber eine klar höhere Randschärfe, was aber auch nicht wirklich überrascht. Das Glas ist nicht so hell wie das HT, wobei ich offen lassen muss, ob das nicht eine Folge der offenbar sehr starken Abschirmung des Noctivids gegen Streulicht ist. Streulicht war zumindestens unter den Bedingungen, die ich dort hatte, kein Thema.
Ein wirklich interessantes Glas, meine ich mal.