Irgendwie laufen diese Diskussionen immer so, als wuerde es um das entweder-oder gehen. So ist es doch nicht, es geht doch nur darum, ein bestehendes Angebot um einen neuen Aspekt zu erweitern. Wuerde wirklich ein solches Porro entstehen, dann wuerde das doch nicht das Ende aller existierenden Dachkantglaeser bedeuten.
Das WW-Porro haette seine Vorteile und seine Probleme. Die oben genannten Faktoren (Streulicht, Kontrast, Helligkeit) lassen sich mit der heute vorhandenen Technik hervorragend in den Griff bekommen - dass das eventuell bei Japan-Glaesern der 1960er und 1970er Jahre, die damals um die 100 Mark kosteten, anders war, ist hier doch kein Argument wert. Manches waere nicht zu aendern: Ein solches Porro waere immer ein wenig schwerer und breiter (dafuer aber auch kuerzer) als eine Standard-Dachkante, und der Nahbereich unter 3m ist tabu. Brilleneignung waere kein Problem, es sei denn, man wollte ein weit ueber 75 Grad umfassendes scheinbares Sehfeld anpeilen.
Was die Bildplastik angeht: Sie ist proportional zum Verhaeltnis Objektivabstand/Okularabstand, relative Plastik genannt, und der Objektivabstand haengt von dem Achsversatz ab, den die Prismen erzeugen. In einem Geradsichtprisma waere dieser Achsversatz nicht vorhanden, Objektiv- und Okularabstand also identisch, die relative Plastik waere genau 1. Beim Porro I Prisma betraegt der Achsversatz pro Tubus 1.41w (w ist die maximale Durchlassweite des Prismas), beim Porro II sind es 1.0w, beim Perger waeren es 0.7w. Ein paar Beispiele zu 10x50 Fernglaesern: Der Okularabstand ist auf 65mm eingestellt, hier die Objektivabstaende:
Zeiss 10x50 (Porro I): 140mm
Ross 10x50 (Porro II): 110mm
Hensoldt 10x50 (AK): 75mm
Meopta 10x50 (SP): 69mm
Das Abbe-Koenig Prisma des Hensoldt Dialyt und auch das Schmidt-Pechan des Meopta Meostar sind also nicht exakt geradsichtig, sondern haben einen leichten Achsversatz. Die relative Plastik dieser Fernglaeser ergibt sich also zu 2.15 (Porro I), 1.69 (Porro II), 1.15 (AK) und 1.06 (SP). Entsprechend unterscheidet sich auch die Tiefenwahrnehmung in diesen Beispielen. Die exakten Werte fuer die Tiefenaufloesung erhaelt man erst, wenn man die individuelle Wahrnehmungsgrenze mit beruecksichtigt. Wer zufaellig mein Buch hat, der kann auf S. 123 die Formel (8.28) nachschlagen und mit den oben genannten Zahlen ein paar Beispiele durchrechnen.
Viele Gruesse,
Holger
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 02.10.14 05:26.