Hallo Hans,
tja, also, ich weiß nicht recht... Herr Link vergleicht da ein 1200 Dollar Zen-Ray ED2 82mm Spektiv mit Prismenumkehrsatz plus Zoomokular mit einem mehr als doppelt so teuren auf etwa gleiche Öffnung abgeblendeten 90mm Apo-Refraktor mit Zenitspiegel plus Baader-Zoom. Für Spektive kann man aber nicht ohne weiteres die gleichen Maßstäbe bei optischen Tests anlegen, wie für Refraktoren, weil sie unterschiedlich konzipiert und für verschiedene Anwendungszwecke ausgelegt und gerechnet sind.
Ein Teleskop ist darauf ausgelegt und gerechnet, im Unendlichen und nachts im Dunkeln optimale Abbildungsleistung auch bei höchster Vergrößerung zu bringen - ein Spektiv nicht. Für Vogelbeobachter z.B. wäre das keine optimale Auslegung. Zum einen wird bei Tagbeobachtung die Pupille nie kleiner als 1,5mm, zum anderen vereitelt auch die Luftunruhe tags fast immer höhere Vergrößerungen als etwa 70-fach, also verzichtet man aus beiden Gründen auf tags nutzlose Hochvergrößerungsfähigkeit und tauscht dafür lieber ein seitenrichtiges Bild ein. Außerdem ist gute Streulichtunterdrückung für den Tagkontrast ein sehr wichtiges Thema, das aber von den Sterntests, wie hier beschrieben, gar nicht erfasst wird.
Aus der Hochvergrößerungsfähigkeit eines Spektivs am künstlichen Stern auf dessen Tauglichkeit bei niedrigvergrößernder Tagbeobachtung schließen zu wollen, scheint mir schon aus diesen beiden Gründen mehr als fragwürdig... Was soll dabei herauskommen? Ich sehe da eher die Gefahr, aus den Tests Unterschiede herauslesen zu wollen, die man im praktischen realen Einsatz vermutlich gar nicht finden würde, und sich auf diese Weise für die Feldbeobachtung unnötig voreingenommen zu machen....
Herr Link scheint seine Tests an zwei verschiedenen künstlichen Sternen zu machen, über deren genaue Bedingungen er sich aber ausschweigt und zu denen auch keiner nachfragt - oder hat er ein Standard-Set-up, das er woanders beschreibt? Meine erste Frage jedenfalls wäre, in welcher Entfernung sind die Aufnahmen seiner Tests gemacht? Irgendwo spricht er von 40m im Garten mit einer sonnereflektierenden Kugel, beim anderen künstlichen Stern dürfte die Entfernung eher noch deutlich niedriger liegen. Bei einem Teleskop mit perfekter Auslegung auf Unendlich zeigt sich aber im "Nahbereich", also unter einigen hundert Metern, immer sphärische Unterkorrektur. Die Aussage, eine perfekte optische Korrektur liefere intra- und extafokal identische Bilder gilt also immer nur für die Distanz, für die das System ausgelegt ist, ergo müsste der Tak unter seinen Bedingungen eben keine identischen Bilder liefern. Ebenso wenig ein Spektiv, das für Vogelbeobachtung sinnvollerweise auf vielleicht einige hundert Metern optimiert sein sollte - ein weiterer Grund, eine gewisse Ungleichheit der defokussierten Sternbilder nicht überzubewerten. Für den praktischen Spektiv-Gebrauch im Feld dürfte es keine allzu große Rolle spielen.
(Nikon legt übrigens viele seiner Optiken bewusst nicht auf maximale Leistung im Unendlichen aus, das gilt auch für viele Fotoobjektive, weil die typischen Einsatzentfernungen für Vogel-Beobachtung oder Portrait- bzw. Sportfotografie viel näher liegen. Deshalb ist es auch kein Wunder, wenn Herr Absetz besonders bei Nikon eine gute Übereinstimmung von Intra- und extrafokal defokussierten künstlichen Sternen feststellt, und dazu Aufnahmen zeigt, die er vermutlich im Nahbereich gewonnen hat).
Die nächste Frage wäre, wie er auf die für Beugungsringe im fokussierten Bild nötige Hochvergrößerung gekommen ist. Dazu müsste man bei den getesteten Öffnungen von 82mm mindestens auf den anderthalbfachen bis doppelten Wert vergrößern, also mindestens 130-160fach, besser mehr als 250fach. Mit einem dreifach- Booster hinterm Okular in Maximalvergrößerung ginge das in diesem Fall, aber bei dem eigentlich in Rede stehenden Test des 8x54 HT wäre 24fache Vergrößerung, wie sie Herr Absetz benutzt zu haben scheint, für dessen 54mm Öffnung viel zu wenig um überhaupt Beugungsringe zu sehen - weshalb ja auch Holger schon darauf hingewiesen hat, wenn schon, dann bei so niedriger Vergrößerung entsprechend abgeblendet zu testen.
Mir scheint es ziemlich seltsam, Kriterien für Teleskop-Tests am künstlichen Stern auf ganz anders ausgelegte Spektive und Ferngläser eins zu eins übertragen zu wollen, noch dazu wenn die Interpretation der Ergebnisse etwas diffus bleibt, und mehr als fragwürdig, zu behaupten, man könne die Auswirkungen der unter diesen extremen Bedingungen gefundenen "Aberrationen" auch im normalen praktischen Gebrauch bei vergleichsweise niedrig-vergrößernder Tagbeobachtung sofort erkennen. Ich habe eher den Eindruck, dass man auf diesem Weg Gefahr läuft, sich in bedeutungslosen Überinterpretationen und Haarspaltereien über wenig relevante Effekte zu verlieren, oder sogar Artefakten und Vorurteilen aufzusitzen...
Gruß,
Mathias
PS.: wer selber mal versuchen will Beugungsringe mit seiner Optik zu produzieren, kann im Fahrradladen eine hochglanzpolierte Kugellagerkugel von vielleicht 4 bis 5 mm Durchmesser erwerben und sie daheim aus ca 1m Abstand mit einer möglichst kleinen punktförmigen Lichtquelle beleuchten (z.B. Halogenlampe oder Laserpointer). Das reflektierte verkleinerte Bild von Laser oder Glühwendel dann aus ein paar Metern Entfernung mit nachvergrößerter (zweites Fernglas oder Mono dahinter) und/oder entsprechend abgeblendeter Optik fokussiert anschauen....
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 18.06.14 03:14.