Zunächst möchte ich mal wieder daran erinnern, bei Antworten auf vorangegangene Beiträge nicht den automatisch generierten Titel („Re: ...“) stehen zu lassen, sondern einen auf den Inhalt der eigenen Antwort bezogenen neuen Titel zu schreiben. Im vorliegenden Falle steht mehrfach „Re: Mein Widerspruch bezog sich ...“, während die zugehörigen Beiträge absolut nichts damit zu tun haben, sondern sich um ganze andere Dinge drehen.
Ihr Titel, Herr „Alex“, hätte also z.B. lauten sollen: „Schärfeleistung des Binuxits“.
Nun zu meiner Antwort.
Wie ich schon schrieb, habe ich alle leihweise zur Messung des SSW erhaltenen Ferngläser schon zurückgeschickt, also auch das Leitz Binuxit, so daß ich nun nachträglich keine genauere Untersuchung der Bildschärfe mehr vornehmen kann. Daß ich dies nicht vorher getan hatte, liegt daran, daß ich kein sonderliches Interesse an einem schätzungsweise 70 Jahre alten Fernglas erwartete, das man außer gebraucht auf Flohmärkten oder in Auktionen nicht mehr kaufen kann und das aufgrund des Fehlens verschiedener heute üblicher Eigenschaften (vor allem Vergütung bzw. sogar Mehrschichtvergütung, Wasserdichtheit und Brillenträgertauglichkeit) heute keine Marktchancen mehr hätte.
Dennoch kann ich einige Informationen geben, die vielleicht für Sie nützlich sind.
Das Binuxit war zu seiner Zeit gewiß eines der schärfsten Ferngläser. Im Sehfeldzentrum kann es allein unter dem Gesichtspunkt des Auflösungsvermögens und ohne Gegenlicht sicher noch mit vielen aktuellen Ferngläsern der Mittelklasse mithalten, in der Topklasse aber wohl kaum mehr. Daß die Autoren des von Ihnen per Link fernoptik.com/erfahrung_wilhelm.htm zitierten Textes die Schärfe des Binuxits so enthusiastisch loben, nehme ich nicht sehr ernst. Das sind ein paar Porro-Freaks, die wahrscheinlich kaum Erfahrung mit wirklich guten (und darum leider auch teuren) modernen Dachkantferngläsern haben und selbst dann, wenn sie durch solche Ferngläser schauen, dies mit einer das Ergebnis stark beeinträchtigenden Erwartungshaltung tun (nämlich der vorgefaßten Meinung, ein Dachkantfernglas könne nie und nimmer so gut wie ein Porrofernglas sein). In diesen Kreisen (von Freaks jeglicher Art) entwickeln sich leicht „Mythen“ und „Legenden“, die rational nicht zu erklären sind und objektiver Nachprüfung nicht standhalten. Wer den Text dieser Porro-Freaks aufmerksam liest, müßte das eigentlich merken.
Wenn Sie eines der aktuellen Top-Ferngläser, egal ob von (in alphabetischer, nicht in wertender Reihenfolge) Canon, Fujinon, Leica, Nikon, Swarovski oder Zeiss, nehmen und die Bildschärfe im Zentrum mit Hilfe des Zeiss Monos 3x12 als „Booster“ hinter dem Okular prüfen, so werden Sie feststellen, daß Sie deutlich mehr Details erkennen als ohne Einsatz des Boosters. Das zeigt Ihnen, daß diese Top-Ferngläser in ihrem Auflösungsvermögen mehr bieten, als Ihre Augen nutzen können, also die Begrenzung des Auflösungsvermögens durch Ihre Augen erfolgt und nicht durch die Leistungsgrenze des Fernglases. Sie werden dann, wenn Sie statt des genannten Boosters ein Rohr eines guten 8x20-Fernglases verwenden, sogar noch mehr Details erkennen, was bedeutet, daß Sie also selbst mit dem 3fach-Zeiss-Booster noch nicht an die Leistungsgrenze der Top-Ferngläser im Sehfeldzentrum herangekommen sind.
Wie können dann die Binuxit-Porro-Freaks behaupten, daß das Binuxit im Zentrum schärfer abbilde als die aktuellen Top-Dachkantferngläser?
Dann aber kommt hinzu, daß das Binuxit unvergütet ist und daher nie und nimmer an die Kontrastleistung moderner mehrschichtvergüteter Dachkantferngläser herankommen kann. Wenn auf jeder Glas-Luft-Grenzschicht der Linsen und Prismen des Binuxits je nach Brechzahl der betreffenden Glassorte und nach Einfallswinkel ca. 4,5% bis 6% reflektiert wird, beim modernen MC-vergüteten Fernglas aber nur jeweils unter 0,5%, eventuell sogar unter 0,2%, dann können Sie sich vorstellen, welche „Unmengen“ kontrastmindernden Falschlichts im Binuxit das Bild verschleiern, wenn der Beobachter einen Gegenstand vor heller Umgebung betrachtet! Wenn Sie den Auflösungstest, wie ihn Herr Jülich beschrieb, anhand von Doppelsternen durchführen, prüfen Sie allein das optische Auflösungsvermögen bei weitgehender Abwesenheit von solchem Falschlicht, weil Ihre Beobachtungsobjekte vor einem nahezu schwarzen Untergrund stehen und von einem ebensolchen Umfeld umgeben sind (es sei denn, der Vollmond stünde in der Nähe oder gar innerhalb des Sehfeldes). Sie können gerade bei einem unvergüteten und nur minderwertig vergüteten Fernglas mit einem solchen Test nur die Eignung zur astronomischen Beobachtung prüfen, nicht aber die für den terrestrischen Einsatz, bei dem heller (Himmels-)Hintergrund und helles (Himmels-)Umfeld die Regel sind und dem un- oder schlecht vergüteten Fernglas keine Chance zu einem guten Abschneiden beim Vergleich mit einem MC-vergüteten Fernglas lassen.
Ich möchte ferner auf den sehr berechtigten Einwand von Herr Champollion hinweisen, daß bei einem Fernglas mit schlechter Schärfe im Randbereich automatisch die subjektive Empfindung von Schärfe im Zentrum gesteigert wird. Dieselbe Schärfe, die bei einem im gesamten Sehfeld annähernd gleichmäßig scharfen Fernglas als gut empfunden wird, erscheint bei stark abfallender Randschärfe automatisch als sehr gut. Das ist ein ganz natürlicher physiologischer Effekt, den man auch von vielen anderen Sinnesempfindungen kennt: Eine gleichmäßig graue Fläche erscheint gleichmäßig grau bis nahe an die Kante zu einer sprunghaft helleren oder dunkleren Fläche. Ist die benachbarte Fläche heller, so erscheint die graue Fläche nahe der Grenzlinie dunkler; ist die benachbarte Fläche dunkler, erscheint die graue Fläche nahe der Grenzlinie heller. Auge und Gehirn nehmen im Grenzbereich eine Kontrastaufsteilung ähnlich wie bei der Photoshop-Funktion „unscharf maskieren“ oder bei der Neofin-Entwicklung herkömmlicher Filme vor (beim Auge: laterale Hemmung in den rezeptiven Feldern der Netzhaut, dazu nachträglich im Gehirn nochmals!). Ein ganz anderes Beispiel: In lauter Umgebung nehmen Sie Vogelgezwitscher kaum wahr oder überhören es vollständig, aber in stiller Natur erscheint es Ihnen trotz identischer Lautstärke plötzlich sehr laut. Und nach ähnlichem Muster erscheint Ihren ein relativ scharfes Bild mitten in einer ziemlich unscharfen Umgebung eben sehr oder gar extrem scharf.
Konkret werden Sie im Falle des Binuxits vielleicht am nächtlichen Himmel noch ein relativ gutes Ergebis erzielen, aber sobald Sie ein Motiv in heller Umgebung bzw. im Gegenlicht betrachten, nutzt Ihnen das Auflösungsvermögen nichts, weil der Kontrast durch Falschlicht so stark verschlechtert wird, daß feine Strukturen untergehen.
Wenn Sie für die Tagbeobachtung ein scharfes Fernglas suchen, sollten Sie nicht ein Binuxit zu finden versuchen. Schon jedes aktuelle Mittelklasse-Fernglas ist dann sehr viel besser - ganz abgesehen von seinen vielen anderen besseren Eigenschaften (Bildhelligkeit, Kontrast, Randschärfe, Naheinstellgrenze, Brillenträgertauglichkeit, Wasser- und Staubdichtheit, Ergonomie und Haptik).
Könnte man ein Binuxit mit zeitgemäßer Mehrschichtvergütung auf allen Glas-Luft-Flächen bekommen, käme das Binuxit möglicherweise in der Schärfe des Sehfeldzentrums tatsächlich nahe an die heutigen Top-Ferngläser heran. Aber alle anderen genannten nicht zeitgemäßen Nachteile blieben dennoch bestehen.
Walter E. Schön