Es ist (bereits per definitionem) falsch, daß ein nach der Tangentenbedingung vergrößerndes Fernglas das von mir angegebene Linienmuster „mit einer leichten tonnenförmigen Verzeichnung“ abbilde. Zu sagen, daß sie angeblich in der Praxis kaum auffällt, ist nur der untaugliche Versuch, die Nicht-Wahrnehmung einer solchen tonnenförmigen Verzeichnung mit Deinem willkürlichen Postulat irgendwie in Einklang zu bringen und einen offensichtlichen Widerspruch zu verschleiern.
Es ist völlig belanglos, wie das visuelle System arbeitet, ob die Netzhaut annähernd sphärisch gekrümmt, eben oder zickzack gefaltet ist und wie das Gehirn die über den Sehnerv übermittelten Signale wieder zu einem viruellen und dreidimensionalen Konstrukt zusammensetzt, das letztlich unserer Vorstellung zugrundeliegt.
Es kommt nur auf das an, was man in der denglischen Fachsprache als „Input“ bezeichnet: Aus welcher Richtung fällt das zu einem Gegenstandspunkt gehörende, also von ihm ausgehende Strahlenbündel ins Auge ein. Wenn die von der Kirchturmspitze im 1 km Entfernung (ohne vorgeschaltetes Fernglas) in die Pupille einfallenden Strahlen aus genau derselben Richtung ins Auge einfallen wie die von der gleichen Kirchturmspitze auf einem vom gleichen Standpunkt aus aufgenommenen Foto, das auf geeignetes Format vergrößert und im richtigen Abstand vors Auge gehalten wird, dann sieht das Auge „dasselbe". Und wenn beiden Augen je ein um die menschliche Stereobasis versetzt aufgenommenes Foto (also ein Stereo-Bildpaar) so vorgesetzt wird, dann sieht das Auge (samt Gehirn) das alles sogar räumlich. Insofern läßt sich sehr wohl durch Fotos, die 1. ohne vorgeschaltetes Fernglas vom Beobachterstandort, 2. aus der um den Kehrwert der Vergrößerung verkürzten Entfernung zur Wand mit dem Linienmuster und 3. vom Beobachterstandort durchs Fernglas hindurch aufgenommenen Fotos überprüfen und beweisen, was das Auge sieht. Ich setze hierbei voraus, daß man ein (annähern) verzeichnungsfreies Kameraobjektiv verwendet. Damit behaupte ich keineswegs, wie Du mir unterstellst, daß das Auge wie eine Kamera sähe! Ich behaupte damit nur, daß das Auge ein Foto (bzw. das Augenpaar ein Stereo-Bildpaar) geometrisch genauso wie die Wirklichkeit sehen kann. Und deshalb lassen sich die unterschiedlichen Seheindrücke ohne Fernglas und mit Fernglas auch durch geeignete Fotos simulieren. Die „Blackbox“ zwischen Hornhaut und Cortex ist dabei völlig belanglos.
Zitat: „Wenn Du es nicht glaubst: Du hast doch selbst zugegeben, dass beim Schwenken die Winkelgeschwindigkeiten zum Rande hin abnehmen, und das fuehrt unweigerlich zu der von mir postulierten tonnenfoermigen Stauchung.“ Ende des Zitats.
Ich habe nicht „zugegeben“ (das klingt, als hätte ich früher anderes behauptet und jetzt nachgegeben), sondern immer schon gesagt, daß die Winkelgeschwingigkeiten der für den Globuseffekt entscheidende Parameter sind, und daß sie deshalb den Globuseffekt verursachen, weil im vergrößerten Fernglasbild die während des Schwenkens auftretenden Winkelgeschwindigkeiten denen des tatsächlichen Standortes entsprechen, die für den Beobachter aber einen um den Kehrwert der Vergrößerung angenäherten Standort vortäuschende Fernglasvergrößerung aber größere Winkelgeschwindigkeiten erwarten läßt, die dem (scheinbar) näheren Standort entsprechen.
Die Verzeichnung des Bildes, ob tonnen- oder kissenförmig ist keine Konsequenz irgendwelcher Winkelgeschwindigkeiten, denn sie tritt ja immer, also auch bei nicht geschwenktem Fernglas auf. Wäre es so, wie Du behauptest, müßte das Fernglas sein Verzeichngsverhalten schlagartig ändern, sobald es aus der Ruhelage geschwenkt oder aus der Schwenkung zum Stillstand kommt. Das ist aber völliger Unsinn.
Alles, was Du danach sagst („Die angebliche Verzeichnungsfreiheit der Tangentenbedingung und die angeblich permanenten Kruemmungen bei der Winkelbedingung sind beide das Resultat einer optischen Taeuschung“), ist leider total falsch, und deshalb ist es gut, daß das entgegen Deinem Wunsch so in keinem Lehrbuch steht.
Überdenke doch mal, was ich oben zum Bildeindruck eines unverzeichneten Fotos schrieb. Denke Dir dazu am besten ein halbtransparentes Foto, das so vor das Auge gehalten wird, daß alle Konturen auf dem Foto für das betrachtende Auge mit den Konturen der wirklichen Gegenstände hinter dem Foto zur Deckung kommen. Und dann werde Dir bewußt, daß das mit dem Okular als Lupe betrachtete Zwischenbild im Fernglas sich nicht anders verhält als ein solches Foto. Es gibt hier nur eine kleine Schwierigkeit zu überwinden: In diesem Beispiel muß man annehmen, daß die Verzeichnung (beim Fernglas nach der Winkelbedingung) vom Objektiv erzeugt würde und das Okular verzeichnungsfrei sei, während es tatsächlich anders ist, nämlich das Okular einen wesentlichen Teil der Verzeichnung erzeugt. Doch für das grundsätzliche Verständnis ist auch das egal, denn für den Betrachter ergibt sich kein Unterschied, ob ein und dieselbe kissenförmige Verzeichnung vom Objektiv allein, vom Okular allein oder teils vom Objektiv und teils vom Okular erzeugt wird.
Und bei allen Überlegungen: Die Verzeichnung oder Verzeichnungsfreiheit ist für ein und dasselbe Fernglasimmer gleich, egal ob das Fernglas stillsteht oder geschwenkt wird. Der Globuseffekt dagegen enststeht erst und nur beim Schwenken, also wenn Winkelgeschwindigkeiten ungleich null auftreten.
Damit möchte ich aber jetzt meinen Arbeitsaufwand zum Thema Globuseffekt für die nächste Zeit abschließen. Solltest Du mir erneut widersprechen, werde ich dazu keine Stellung mehr nehmen, weil es offenbar nichts mehr bringt. Du hast Dich in ein fixe Idee verrannt, aus der Du offenbar nicht mehr herauskommst. Ich weiß nicht mehr, was ich noch alles schreiben sollte, damit Du mich endlich verstehst. Eine größere Zahl zeitraubender Zeichnungen würde vielleicht noch helfen, aber dafür fehlt mir momentan die Zeit, und außerdem möchte ich da auch nicht schon wieder etwas vorwegnehmen, was in meinem Fernglasbuch zu finden sein wird. Vorzeitiges Veröffentlichen von zu vielen Informationen würde den Nutzwert meines Buches unnötig schmälern, weil jeder sagen könnte, daß das alles ja schon vorher bekannt gewesen sei.
Walter E. Schön