In dieser Argumentation sind mehrere Fehler enthalten. Um alles zu begründen, müßte ich viel mehr Zeit aufwenden, als ich derzeit habe und auch dafür aufbringen möchte, da ich zu diesem Thema schon soviel Zeit verplempert habe, daß es mir die Sache nicht mehr wert ist - zumal ich vermute, daß Du trotzdem auf Deinem Standpunkt beharren wirst.
Aber ich will in einem letzten Versuch ein Beispiel bringen, an dem Du feststellen müßtest, daß Deine Argumentation falsch ist, und das obendrein den Vorteil hat, daß es relativ anschaulich (bei weitem nicht so abstrakt wie Deine Darstellung) ist, so daß ich hoffen kann, daß außer Dir noch viele andere Leser dieses Forums ohne mathematische Fachkenntnisse folgen können:
Denke Dir eine große ebene Wand, auf die wir von erhöhtem Standpunkt (= halbe Höhe der Wand) exakt rechtwinklig blicken, z.B. aus einem Abstand von 100 m. Den Fußpunkt des Lots von unserem Standpunkt (= Position der Mitte der Augenpupille beim Betrachten ohne Fernglas bzw. Position der Mitte der Fernglas-Eintrittspupille beim Betrachten mit Fernglas) zur Wand bezeichne ich als (Sehfeld-)Mitte. Durch diese (Sehfeld-)Mitte sei auf der großen Wand je eine senkrechte und eine waagerechte gerade Linie gezeichnet, also ein Kreuz. Links und rechts der senkrechten bzw. über und unter der waagerechten Linie seien weitere dazu parallele Linien mit folgenden Eigenschaften aufgezeichnet: Das erste parallele Linienpaar befinde sich in sehr kleinem Abstand „a“ (z.B. 0,1 m) vom Kreuz durch die Mitte. das nächste parallele Linienpaar habe von der Mitte den Abstand n-fachen Abstand, also n · a (z.B. bei n = 2 den Abstand 0,2 m). Jedes weitere parallele Linienpaar habe jeweils ebenfalls den n-fachen Abstand des vorherigen Linienpaares von der Mitte (in unserem Beispiel dann 0,4 m, dann 0,8 m, dann 1,6 m, dann 3,2 m usw.). Außerdem vergrößern wir die Strichstärke der Linien proportional zu den jeweiligen Abständen von der Mitte, also in unserem Beispiel ebenfalls um den Faktor 2.
Das Gittellinienmuster auf der Wand hat dann eine markante Eigenschaft: Wenn wir von ihm so entfernen oder nähern, daß unser Abstand von der Mitte sich um den Faktor einer ganzzahlige Potenz von n vergrößert bzw. verkleinert (also in unserem Beispiel wie uns auf 2a, 4a, 8a, 16a usw. entfernen oder auf 0,5a, 0,25a, 0,125a, 0,0625 a usw. nähern), dann sieht das Muster genauso aus wie von unserem ursprünglichen Standort aus (erst wenn wir sehr nahe an der Wand sind, fehlen uns innen parallele Linien, was wir vermeiden könnten, wenn wir mit einem sehr viel enger an der Mitte stehendem ersten Linienpaar beginnen).
Nun betrachten wir diese Wand einmal aus dem anfangs genannten Abstand von 100 m. Wir können davon mit einer Kamera ein Bild aufnehmen, das unserem visuellen Eindruck exakt entspricht.
Dann nähern wir uns der Wand auf 1/8 der ursprünglichen Entfernung, also auf 12,5 m und machen zum Vergleich wieder ein Foto. Wir werden abgesehen von den ganz innen fehlenden Linien feststellen, daß das Bild exakt dem zu erst betrachteten bzw. aufgenommenen entspricht.
Nun gehen wir zurück zum Ausgangspunkt in 100 m Abstand von der Wand bzw. deren Mitte. Und wieder betrachten wir mit Blickrichtung genau zur Mitte diese Wand, jetzt aber durch ein 8fach vergrößerndes Fernglas. Nun mmüssen wir zwei Fälle unterscheiden:
1. Wenn dieses Fernglas nicht verzeichnet, seine Abbildung also der Tangentenbedingung genügt, dann sehen wir das Linienmuster durch das Fernglas aus 100 m Abstand exakt so wie zuvor ohne Fernglas aus 12,5 m Abstand. Wir machen durchs Fernglas hindurch zur Kontrolle ein Foto und sehen diese Feststellung auch im Foto bestätigt. Wie man sowohl visuell als auch auf dem Foto feststellen kann, ist am Rand absolut nicht „gestaucht“, wie Du es immer wieder behauptest. Die Linien sind am Rand nach wie vor gerade, egal, ob der Blick zur Mitte gerichtet ist oder zum Sehfeldrand. Auch das Foto zeigt korrekt gerade Linien.
2. Wenn dieses Fernglas kissenförmig gemäß der Winkelbedingung verzeichnet, so sehen wir nur die kreuzförmigen Mittellinien (senkrecht und waagerecht) gerade, alle anderen aber verbogen, und zwar um so mehr, je weiter ihr Abstand von der Mitte ist. Auch das ist visuell beim Blick durchs Fernglas wie auch auf dem durchs Fernglas hindurch aufgenommenen Foto deutlich zu sehen. Unser Bild entspricht also nicht einer Annäherung an die Wand auf 1/8 der Entfernung, wie es bei 8facher Vergrößerung zu erwarten war. Auf dem Foto sieht man sehr gut, wie das Bild im Außenbereich radial auseinandergezogen, also „aufgebläht“ ist.
Das alles hat mit Abscannen durch das Auge überhaupt nichts zu tun. Das heißt nicht, daß ich dem Abscannen des Bildes durch das Auge und das Zusammensetzen der jeweils momentanen Bildeindrücke im Gehirn zur „virtuellen Realität“ (Bewußtwerdung, Wahrnehmung, Vorstellung der Wirklichkeit, wie immer Du es nennen möchtest) widerspräche! Ich weiß schon selber seit langem, daß das so geschieht, aber es hat keinerlei Bedeutung hinsichtlich der Verzeichnungseigenschaften des Fernglases.
Wenn dieses Beispiel Dich noch immer nicht überzeugen sollte, gebe ich es auf. Es hat dann keinen Sinn, noch mehr Zeit darauf zu verschwenden.
Walter E. Schön
Nachtrag: ich habe soeben ein solches Gittermuster mit dem Faktor n = 1,41421 (= Wurzel aus 2) gezeichnet, also doppelt so fein wie im obigen Beispiel, damit auch diejenigen sich das gut vorstellen können, denen eine rein verbale Beschreibung zu abstrakt ist. Die JPEG-Datei dieser Zeichnung ist unter folgendem Link zu finden:
[
www.juelich-bonn.com]