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Entschieden, aber dadurch noch nicht korrekt!

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20. April 2009 13:06
Hallo Walter,

ich sehe jetzt, dass Du einige inkorrekte Annahmen gemacht hast, die Dich dazu verleitet haben, in die Winkelverzeichnung ein "Aufblaehen" des Sehfeldes im Randbereich zu interpretieren. Ich werde jetzt begruenden, warum diese Sichtweise falsch ist, muss dazu aber etwas ausholen.

1) Zunaechst muss ich feststellen, dass wir einen wohldefinierten Standort des Beobachters annehmen, wenn wir von Abbildung sprechen. Wenn wir von zwei verschiedenen Abstaenden des Beobachters zum Objekt reden, dan reden wir von zwei verschiedenen Abbildungen. Wenn diesen Umstand nicht sauber auseinanderhalten, dann betreten wir den Bereich sogenannter affiner Abbildungen, aber die Abbildungsgleichungen unserer Fernglaeser haben damit absolut nichts zu tun. Wir reden also stets von einem wohl definierten Standort des Betrachters und erlauben lediglich Streckungen (linear -> Winkelbedingung, oder nichtlinear -> Tangentenbedingungen) der radialen scheinbaren Winkel, um die Vergroesserung zu beschreiben, sowie Rotationen, um das Schwenken des Fernglases zu beschreiben.

2) Jeder Objektpunkt besitzt eine wohldefinierte Winkelkoordinate zum Beobachter, und eine Abbildung ist dann winkeltreu, falls die Winkelkoordinaten der Bildpunkte in unserem Wahrnehmungsraum den Winkelkoordinaten im Objektraum entsprechen. Ich rede hier von einem abstrakten "Wahrnehmungsraum", und nicht etwa von der Netzhaut, weil unsere Wahrnehmung das Produkt einer komplizierten Informationsverarbeitung darstellt. Es ist unter Wahrnehmungsphysiologen offenbar allgemein anerkannt, dass unser Wahrnehmungssystem zumindest naeherungsweise winkeltreu abbildet (dazu hatte ich kuerzlich eine Konversation mit Dr. Werner Backhaus vom Institut fuer Neuroinformatik, TU Berlin). Nennen wir diese These einfach das "Postulat der Winkeltreue unseres visuellen Systems". Wir koennen dieses Postulat mit unseren Mitteln weder beweisen noch widerlegen. Es bleibt den Wahrnehmungsphysiologen ueberlassen, das Postulat entweder zu stuetzen oder zu verwerfen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass das Auge unser Sehfeld nicht wie eine Kamera instantan abbildet, sondern einen schnellen "Scan" durchfuehrt, und das Gehirn dabei das komplette Sehfeld nachtraeglich komponiert (und zwar, wie erwaehnt, naeherungsweise winkeltreu). Dabei treten moegliche Probleme durch eventuell gekruemmte Kanten nicht zu Tage (das Gehirn setzt das Bild aus vielen kleinen Einheiten zusammen und rechnet eventuelle unnatuerliche Kruemmungen im globalen Bild einfach weg).

3) Im Vergleich mit dem freien Auge zeigt das schwenkende Fernglas im Falle der Tangentenbedingung eine Verringerung der Winkelgeschwindigkeiten der Bildpunkte im Randbereich, wie Du korrekt bemerkt hast. Nun sind die scheinbaren Winkel der Objekte im Sehfeld zu jedem Zeitpunkt nichts anderes als das Integral der Winkelgeschwindigkeiten ueber die Zeit. Eine "unnatuerliche" Verlangsamung der Winkelgeschwindigkeiten bei der Tangentenbewegung erzeugt daher eine ebenso "unnatuerliche" Stauchung der Winkelkoordinaten, beide Phaenomene sind nicht voneinander zu trennen. Es bleibt zu erklaeren, warum wir von "unnatuerlich" sprechen. Mit dem Postulat der winkeltreuen Abbildung in 2) wuerde unser Auge konstante Winkelgeschwindigkeiten der Bildpunkte ueber das komplette Sehfeld erwarten. Die Wikelbedingung erfuellt diesen Umstand (streng genommen nur unter der Annahme, dass man auf die Sehfeldmitte blickt, siehe Punkt 5.), weil sie die radialen Winkel linear streckt, nicht aber die Tangentenbedingung, weil diese die bereits erwaehnte nichtlineare Stauchung der radialen Winkel (und konsequent der Winkelgeschwindigkeiten) am Sehfeldrand beinhaltet.

4) Jetzt kommen wir zur Motivation der Tangentenbedingung. Wenn ich mich von 50m auf 10m an eine Haeuserfront annaehere, dann aendern sich die Winkelverhaeltnisse aller Objektpunke zueinander, und zwar in einer nichtlinearen Weise. Die radialen Abstaende der Objekte (von der Sehfeldmitte) wachsen bei der Annaeherung an die Wand im Randbereich weniger schnell als bei Objekten im Bereich der Sehfeldmitte. Dies ist eine Konsequenz der perspektivischen Stauchung, die bei Annaeherung an die Wand zum Randbereich hin zunehmend stark in Erscheinung tritt (man sieht die Wand aus einem zunehmend schraegen Winkel). Man versucht, genau dieses Verhalten mit Hilfe der Tangentenbedingung zu simulieren, indem man das vergroesserte Bild im Randbereich des Fernglases ebenfalls ein wenig zusammendrueckt (um eben genau diese Annaeherung an das Objekt und die entsprechende perspektivische Stauchung zu simulieren). Diese Vorgehensweise ist voellig legitim, hat aber die folgenden offensichtlichen Nachteile: Die nichtlineare Stauchung erzeugt durch die tonnenfoermige Verzeichnung des Winkelraumes den Globuseffekt (bereits in 3. diskutiert), und eine solche Simulation der Annaeherung fuehrt zu weiteren Inskonsistenzen: Was immer sich in den 50m zwischen Beobachter und Wand befindet, kann bei der Transformation ja nicht verschwinden. Also ist diese Simulation der Annaeherung notwendigerweise unvollstaendig (weil unmoeglich, denn der Standort des Beobachters aendert sich in Wirklichkeit ja nicht).

5) Zum Schluss muss ich noch mit einem Missverstaendnis bzgl. der Winkelbedingung aufraeumen: Es ist nicht korrekt, zu behaupten, bei der Winkelbedingung sei "am Rand alles verbogen und auseinandergezogen". Blickt man zentral in das Sehfeld eines Fernglases, das nach der Winkelbedingung korrigiert ist, dann werden alle Kanten gerade abgebildet (vorausgesetzt ist wieder das Postulat der Winkeltreue unseres Wahrnehmungssystems von Punkt 2.). Die Fernglasabbildung ist ja linear im Winkelraum! Erst wenn wir zur Seite (weg von der Mitte) blicken, dann tauchen die charakteristischen Kruemmungen auf, weil in diesem Falle die Kruemmungen des zugehoerigen Bildraumes nicht mehr kompensiert werden koennen. Wir schauen dann ja nicht mehr frontal auf den Bildraum, sondern ueber einen schraegen Winkel auf diesen, so dass der gekippte Bildraum die charakteristischen Kruemmungen aufweist (siehe www.holgermerlitz.de/globe/verzeichnung.html zu den Details). Dieser Umstand loest natuerlich nicht die Probleme des Winkelraumes: Jeder Beobachter wird zwangslaeufig sein Auge von der Mitte wegbewegen und dann unter den Effekten der Kruemmungen leiden - insbesondere durch das in 2. beschriebene "Scannen" des Sehfeldes. Diese Kruemmungen haben aber nichts mit irgendeinem "Aufblaehen" zu tun: Sie entstehen im Bildraum und werden bei frontaler Sicht (auf die Bildfeldmitte) kompensiert. Umgekehrt zeigt die Tangentenbedingung bei frontaler Sicht Kruemmungen (die tonnenfoermige Verzeichnung des Winkelraumes), die aber in der Praxis nicht auffallen (weil das Auge, wie erwaehnt, das Sehfeld abtastet und dabei in jeder Richtung lokal gerade Kanten wahrnimmt, siehe Abb. 3 (rechts) in www.holgermerlitz.de/globe/verzeichnung.html).

6) Fazit: Die Tangentenbedingung beinhaltet eine nicht lineare Stauchung, mit der man die perspektivische Stauchung bei Annaeherung an das Objekt simuliert. Dieses nichtlineare Verhalten erzeugt ueber die Winkelgeschwindigkeiten Probleme beim Schwenken. Die Winkelbedingung transformiert die radialen Winkel mit einer linearen Transformation. Gemeinsam mit dem Postulat zur Winkeltreue der Wahrnehmung liefert das ein "natuerliches" Schwenkverhalten. Leider tauchen Probleme auf, sobald das Auge vom Zentrum des Sehfeldes wegdreht: Hier werden durch Verkippung des Bildraumes die Kruemmungen sichtbar, die charakteristisch fuer die kissenfoermige Verzeichnung sind. Es gibt also keine ideale Methode, hoechstens Kompromisse (Kreisbedingung etc ...)

Viele Gruesse,
Holger Merlitz



Thema Autor Klicks Datum/Zeit

SSW von 59 Ferngläsern (4 neu), 1 Monokular mit Laser-E-Messer (neu) und 2 Boostern

Walter E. Schön 5145 27. Februar 2009 10:52

DANKE !! (ohne Text)

OhWeh 1453 27. Februar 2009 14:39

Re: SSW von 63 Ferngläsern (4 neu), 1 Monokular mit Laser-E-Messer und 2 Boostern

Walter E. Schön 3522 16. März 2009 17:38

Re: SSW - Angaben in Prospekten

JC_4 1523 18. März 2009 17:15

Die Unterschiede sind leicht zu erklären

Walter E. Schön 1823 18. März 2009 18:03

Re: wie messen Sie SSW

JC_4 1411 18. März 2009 18:12

Lesen Sie bitte hier nach

Walter E. Schön 1526 18. März 2009 18:23

Re: Die Unterschiede sind leicht zu erklären ... aber schwer zu verstehen!

marc champollion 1490 25. März 2009 18:27

Erläuterung: Umfeld / Sehfeld

Walter E. Schön 1420 25. März 2009 18:48

Re: Erläuterung: Umfeld / Sehfeld

marc champollion 1418 26. März 2009 02:05

Wertvolle Information, Kritik an "aufgeblaeht"

Holger Merlitz 1595 26. März 2009 02:52

Ja, ich muß entschieden widersprechen!

Walter E. Schön 1616 18. April 2009 21:32

Entschieden, aber dadurch noch nicht korrekt!

Holger Merlitz 1711 20. April 2009 13:06

Nein, nein und nochmals nein, so ist das nicht!

Walter E. Schön 1784 20. April 2009 14:17

Falsche Annahme!

Holger Merlitz 1527 21. April 2009 10:17

Du hast leider noch immer nicht verstanden, worauf es ankommt

Walter E. Schön 1629 21. April 2009 11:31

Wer Lust hat, moege es ausprobieren

Holger Merlitz 1673 22. April 2009 03:05

Fabelhaft, mein Kompliment!

konfokal 1933 22. April 2009 06:18

Die Wahrnehmung bleibt ein schwieriges Problem

Holger Merlitz 1442 22. April 2009 12:34

Falsch aufgrund eines fatalen Denkfehlers

Walter E. Schön 1540 12. Mai 2009 11:02

Abbildung im Auge anders als in der Kamera

Holger Merlitz 1423 12. Mai 2009 12:12

Korrektur und Ergaenzung

Holger Merlitz 1319 12. Mai 2009 14:50

Betrachten von Fassaden und anderen Ebenen ...

marc champollion 1423 21. April 2009 11:04

SSW von 67 Ferngläsern (4 neu), 1 Monokular mit Laser-E-Messer (neu) und 2 Boostern

Walter E. Schön 3345 07. April 2009 19:32

SSW von 69 Ferngläsern (2 neu), 1 Monokular mit Laser-E-Messer und 2 Boostern

Walter E. Schön 4958 18. April 2009 20:59

Swift Audubon ED 8,5x44

Rafi 1919 19. April 2009 15:59

Dummes Zeugs

Volker Werres 1711 19. April 2009 16:35

Forumsteilnehmer „Rafi“ hatte sich nicht zur Helligkeit geäußert

Walter E. Schön 1627 19. April 2009 23:40

Qualitätsschwankungen

Robert Fritzen 1473 20. April 2009 09:35

Entgegnung zum Swift Audubon ED 8,5x44

Walter E. Schön 1824 19. April 2009 20:54

Re: Entgegnung zum Swift Audubon ED 8,5x44

Michael Brücker 1719 20. April 2009 10:15



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