Zu meiner Person:
Der nicht mehr ganz taufrische Verfasser ( leider schon jenseits der Fünfzig ) dieser Zeilen ist kurzsichtig, trägt meist eine Gleitsichtbrille und hat eher kleine Hände. Meine Hauptinteressen, soweit sie dieses Forum berühren, sind die Ornithologie und die Astronomie. Als Hundebesitzer ( Beaglemädchen ) habe ich die Aufgabe, zweimal täglich eine längere Runde mit dem Vierbeiner, der angeleint sein muss, zu absolvieren, dabei darf ein Fernglas nicht fehlen, es könnte ja mal ein Seeadler oder Brachpieper durchziehen, das gelegentlich auftretende Rehwild verdient auch ein genaues Hinsehen.
Vor ca. drei Jahren habe ich mir das
Zeiss Victory 7x42 FL ( ohne Lotutec ) als Allroundglas gekauft. Um die Leistung des Glases richtig einordnen zu können, habe ich folgende Gläser aus meinem Bestand zum Vergleich herangezogen: Nikon 8x32 HG, Leica 10x50 BA Trinovid und
Swarovski Habicht 7x42, ohne die Gläser besonders zu erwähnen.
Größe, Gewicht:
Das Fernglas ist verglichen mit dem Alternativ-Fernglas
Leica Ultravid 7x42 deutlich größer ohne mehr zu wiegen. Dadurch fühlt sich das Leica irgendwie „wertiger“ an, beim Zeissglas hat man ein wenig den Eindruck, ein großes Plastikteil in den Händen zu halten. Trotzdem ist das Victory ausgeprochen angenehm zu halten, es liegt gut ausbalanciert in der Hand und die Rippen der Armierung stören mich absolut nicht, im Gegenteil, sie geben das Gefühl eines sicheren Halts. Bei Verwendung eines breiten Trageriemens wird das knapp 800g leichte Zeiss-Glas auch bei längeren Wanderungen nicht lästig. Die Ösen für den Riemen sind optimal positioniert, das Glas baumelt nicht, da es flächig dem Körper anliegt.
Mechanik, Fokussierung:
Die Knickbrücke ist praktischerweise recht schwergängig, ein ungewolltes Verstellen ist daher kaum möglich. Die Fokussierung läuft wunderbar leichtgängig und doch präzise, einen Einfluss der Temperatur auf die Gängigkeit konnte ich bislang nicht feststellen, wobei das Glas mäßigen Minusgraden bis etwa -15°C ebenso ausgesetzt wurde wie Temperaturen um 35°C. Die Position der Fokussierwalze ist optimal, man kann sehr feinfühlig mit dem besonders gut dafür geeigneten Zeigefinger scharfstellen. Mit weniger als einer Umdrehung im Uhrzeigersinn kommt man von der Naheinstellgrenze bei etwa 2m nach Unendlich. Der Dioptrienausgleich funktioniert ebenfalls tadellos und lässt sich nicht ungewollt verstellen.
Augenmuscheln, Einblickverhalten:
Mein Victory verfügt über herausdrehbare Augenmuscheln mit zwei Rastpunkten. Werden diese voll eingedreht, kann ich als Brillenträger zwar das gesamte Sehfeld von 150m gut überblicken, es zeigen sich aber lästige Abschattungen. In der ersten Raststufe ist es für mich dann ( fast ) optimal: sehr guter Einblick, keinerlei Schatten und 95% Sehfeld. Natürlich kann man auch eine Zwischenstufe einstellen, diese kann sich aber leicht verstellen. Daher nehme ich den geringfügigen Gesichtsfeldverlust in Kauf und beobachte in der ersten Raststufe.
Anmerkung: Wenn ich mich nicht irre, ist bei den aktuellen Victory-Modellen die Augenmuschel noch optimiert worden. Dazu kann ich mangels eigener Erfahrung leider nichts sagen.
Schärfe, Helligkeit, Kontrast:
Das
Zeiss Fernglas hat eine sehr gute Schärfe im größten Teil des Sehfeldes. Da es als 7x42 außerdem noch über eine große Schärfentiefe verfügt, ist der Bildeindruck außerordentlich beeindruckend. Im Vergleich z. B. zu einem
Zeiss Victory 10x42 ist der Anteil an scharf abgebildeten Strukturen beim 7x-Glas viel höher, was beim Beobachten viel Freude macht. Häufiges Nachfokussieren entfällt ebenso wie angestrengtes Suchen eines bewegten Objekts, beides zwangsläufige Nachteile von stärker vergrößernden Gläsern. Die Randschärfe ist für mich als Naturbeobachter voll zufriedenstellend, als Sterngucker wünsche ich mir hier noch eine Verbesserung.
Die Transmission und damit die Bildhelligkeit des Zeiss-Glases ist hervorragend, der Schön`sche Papiertest zeigt zudem keinerlei Abweichung von der Farbneutralität. Selbst als Astroglas ist das Victory sehr zu empfehlen, als Begleiter auf einer Reise nach Namibia konnte es mir die unvergleichlichen Schönheiten des Südhimmels eindrucksvoll zeigen, auch wenn Sterne am Bildfeldrand nicht mehr punktförmig waren.
Auch der Kontrast des Glases ist überzeugend, Schwarzes bleibt pechschwarz, Weißes strahlt wie frisch gewaschen. In der Farbsättigung schien mir allerdings ein zum Vergleich herangezogenes Leica Ultravid überlegen zu sein.
Verzeichnung, Globuseffekt:
Störende Verzeichnungen sind mir bei diesem Glas nicht aufgefallen, als Naturbeobachter bin ich in diesem Punkt allerdings wenig empfindlich. Bei genauem Hinschauen meine ich am Sehfeldrand eine geringfügige kissenförmige Verzeichnung zu erkennen. Das Glas hat keinen mich störenden Globuseffekt.
Streulichtverhalten, Reflexe:
Auch hier zeigt das Victory keinerlei Schwächen. Wenn man z. B. bei hellem Himmel einen kleinen Vogel im dunklen Gebüsch beobachtet, legt sich nicht, wie bei vielen Gläsern, ein Grauschleier über das Bild. Ein Laternentest zeigte nur geringfügige Reflexe, ein zum Vergleich herangezogenes Nikon 8x32 HG schnitt hier deutlich schlechter ab.
Allgemeine Betrachtungen:
Das
Zeiss Fernglas Victory 7x42 FL ist m. E. so etwas wie die „eierlegende Wollmilchsau“ im Fernglasbereich. 800g leicht, brillenträgertauglich, wasserdicht und mit dem größten Sehfeld ( 150m ) seiner Klasse ausgestattet hat es einen guten Nahbereich, ein sehr helles und scharfes Bild und ist ebenso gut für den Naturbeobachter wie für den Amateurastronomen geeignet. Selbst der Seemann dürfte – wenn er keinen eingebauten Kompass braucht – kaum etwas Besseres finden und auch der Jäger hat mit dem Victory ein gutes Ansitzglas, welches auch für die Pirsch nicht zu schwer ist.
Als Vogelbeobachter schätze ich neben den erwähnten Punkten die „Schnelligkeit“ des Zeiss-Glases. Bedingt durch das riesige Sehfeld und die große Schärfentiefe habe ich beste Chancen, auch einen sehr schnell die Position wechselnden Vogel in das Gesichtsfeld zu bekommen, ein Vorteil, der besonders in unübersichtlichem Gelände ( Wald, Gebüsch ) zum Tragen kommt. Ich kann aber durchaus verstehen, dass die Mehrzahl der Vogelbeobachter eine stärkere Vergrößerung bevorzugt, vor allem dann, wenn ein Großteil der Beobachtungen in offenem Gelände stattfindet, wo sich die Vögel meist in größerer Entfernung aufhalten ( Küste, Seeufer, offene Feldlandschaft ).
Als Spaziergänger mit dem Hund - mit Leine in der linken Hand - schätze ich die Möglichkeit, das Glas auch kurzzeitig einhändig gebrauchen zu können, bei einem achtfachen Glas wird das schon deutlich schwieriger.
Ist das Victory nun für mich das perfekte Fernglas?
Nein, ich habe noch einige Verbesserungsvorschläge: ein wertiges, kompaktes Gehäuse sowie eine Farbwiedergabe wie beim Leica Ultravid, eine Randschärfe wie beim Swarovision und ein Preis wie beim Nikon EII.
Mit vielen Grüßen
Manfred Müllers
2-mal bearbeitet. Zuletzt am 16.02.09 00:09.