Ich kann Ihnen in aller Kürze (bin nach wie vor mit Arbeit überlastet) zwei Bestimmungsmöglichkeiten angeben:
1. Prüfen Sie mit der Schublehre oder notfalls mit einem Lineal mit Millimeterteilung, ob der vom Hersteller angegebene Öffnungsdurchmesser stimmt, also ob er z.B. bei einem 10x42-Glas 42 mm beträgt. Legen Sie dazu das Fernglas auf ein großes Fester gerichtet so auf eine feste Unterlage, am besten schrauben Sie es auf ein Stativ, daß Sie aus genügend großem Abstand (möglichst mindestens 50 cm) von vorn in Achsenrichtung so auf ein Objektiv schauen können, daß sie darin die große helle und kreisrunde Fläche (die sog. Eintrittspupille) sehen können. Messen Sie jetzt mit der Schublehre vorsichtig, um die Frontlinse nicht zu zerkratzen, oder mit einem ganz dicht vorn gegen die Objektivfassung gehaltenen, möglichst transparenten Lineal den freien Durchmesser der Objektivöffnung (= der hellen Fläche). Um eine Fehlablesung durch Parallaxe zu vermeiden, müssen Sie dabei auf jeden Ablesepunkt (jedes Ende des freien Durchmessers) möglichst exakt parallel zur optischen Achse schauen. Dazu müssen Sie das Auge für den linken und rechten Ablesepunkt um den zu messenden Abstand (im obigen Beispiel also um 42 mm) verschieben.
Dann drehen Sie das Fernglas um 180° (Objektiv und Okular jetzt umgekehrt ausgerichtet). Sie sehen nun irgendwo in ca. 10 bis 20 mm Abstand vor dem Okular ein helles kleines Scheibchen frei in der Luft schweben. Das ist die sog. Austrittspupille. Ihr Durchmesser ist der Quotient aus Objektivöffnung und Vergrößerung, sollte also beim 10x42-Glas 42 mm : 10 = 4,2 mm sein. Diesen Durchmesser messen Sie jetzt ebenfalls mit der Schublehre oder dem Lineal nach.
Nun dividieren Sie den gemessenen Objektivöffnungsdurchmesser (z.B. 41,5 mm) durch den gemessenen Austrittspupillendurchmesser (z.B. 4,2 mm) und erhalten mit 41,5 mm : 4,2 mm = 9,88 die Vergrößerung, jedoch mit einer gewissen Ungenauigkeit, so daß mindestens die zweite, möglicherweise aber auch schon die erste Nachkommastelle unsicher ist.
Wenn Sie aufgrund der Ableseungenauigkeit (insbesonder wegen des Parallaxenfehlers) die Objektivöffnung nur auf ca. ±0,5 mm genau und die präziser meßbare Austrittspupille nur auf ca. ±0,2 mm genau bestimmen können, wären das Meßfehler von ca. 1,2% bzw. 4,8%. Damit haben Sie im Endergebnis wiederum näherungsweise einen Meßfehler innerhalb von ca. 6%. Das heißt, daß Sie eine 10fache Vergrößerung nur im Bereich von ca. 9,4 bis 10,6 genau ermitteln können. Das ist für die hier angesprochenen Zwecke schon viel zu ungenau. Sie müßten also versuchen, Ihre Messung genauer als in meinem Beispiel angegeben duchzuführen. Also kein Lineal, sondern mindestens eine Schublehre nehmen und alles so fest installieren, daß der Parallaxenfehler bei der Messung des Öffnungsdurchmessers vernachlässigbar ist. Die Austrittpupille müßte mindestens unter Verwendung einer Lupe an einem ebenfalls fest installierten (also nicht einfach mit freier Hand gehaltenen) Lineal, besser mit einer Meßlupe oder einem Meßmikroskop mit Zehntelmillimeterteilung oder besser gemessen werden. Auf diese Weise könnten Sie mit „Amateurmitteln“ eine Genauigkeit des Endergebnisses um etwa ±1% erzielen.
2. Sie machen Fotos mit einer möglichst hoch auflösenden Digitalkamera, und zwar ein Foto durch das Okular (eigentlich durch das ganze Fernglas) hindurch und ein zweites ohne Fernglas von genau dem Ort aus, an dem ich bei der anderen Aufnahme das Fernglasobjektiv befand. Sie können z.B. die Kamera direkt aus das Fernglas stellen, so daß sich sein Objektiv (genauer: dessen objektseitige Hauptebene) genau über dem Fernglasobjektiv (genauer: dessen objektseitiger Hautptebene) befindet.
Dann betrachten Sie beide Fotos in starker Vergrößerung auf dem Computermonitor und vergleichen z.B. die Breite eines (kleinen!) Gegenstandes in der Bildmitte. Das Verhältnis der Breiten (Breite mit Fernglas dividiert durch Breite ohne Fernglas) liefert die Vergrößerung. Ein Problem ist dabei, daß alle Ferngläser mehr oder weniger verzeichnen, und zwar so gut wie immer kissenförmig. Deshalb müssen Sie, wie ich oben in Klammern schrieb, einen wirklich kleinen Gegenstand in der Bildmitte wählen. Bei einem großen Gegenstand würde die kissenförmige Verzeichung zu einer deutlich stärkeren Vergrößerung führen. Leider nimmt aber mit kleiner werdendem Gegenstand die Meßgenauigkeit für die Breitenbestimmung (sowohl wegen den Bildunschärfe als auch der geringeren Pixelzahl bzw. Auflösung) speziell in der Aufnahme ohne Fernglas ab, weil dort das Bild sehr viel kleiner ist. Sie werden also auch bei dieser Methode keine sonderlich große Meßgenauigkeit erzielen. Man könnte sie steigern, wenn man eine längere Objektivbrennweite (Tele) nimmt, um nicht das annähernd ganze Sehfeld, sondern von vorneherein nur dessen zentralen Bereich zu fotografieren. Das wird Ihnen aber auch nicht gut gelingen, weil bei langen Brennweiten die Eintrittspupille des Kameraobjektivs zu tief liegt und daher beim Fotografieren durch Fernglas nicht in die richtige Position in der Austrittspupillen-Ebene gebracht werden kann. Also rechnen Sie auch bei dieser Methode mit einer auf ca. ±5% oder bestenfalls ±2% großen Toleranz, wenn Sie keine Kamera mit einem speziellen Objektiv verwenden.
Sie sehen, daß es nicht einfach ist bzw. nur zu ungenauen Ergebnissen führt, wenn man keine speziellen und teuren Meßgeräte hat, sondern sich mit Amateurmitteln begnügen muß.
Walter E. Schön