Kürzlich konnte ich die 7x42 Zeiss Victory FL und das Leica Ultravid Seite an Seite direkt miteinander in der nächtlichen Großstadt vergleichen. Der Sternenhimmel war natürlich nicht sichtbar. Dunkelheit, Lichtverschmutzung und Dunst stellten größtmögliche Anforderungen an die Optiken. Dabei fiel mir folgendes auf. Das Victory ist minimal heller (Blick in den von einer Straßenlaterne geworfenen Schatten eines Autos). In punkto Kontrast lagen beide Gläser etwa gleichauf. Die Detailerkennbarkeit (z.B. Flecken auf Beton in ca. 300 m Entfernung, Graffities in ca. 60 m Entfernung) war trotz des Helligkeitsvorteil des Zeiss bei beiden Gläsern gleich gut. In der Umgebung waren mehrere Hochhäuser und anderere hohe Gebäude, also viele lange vertikale Linien. Unter diesen Umständen zeigte das Zeiss eine Eigenschaft, die mir so noch nie aufgefallen war. Die vertikalen Linien wurden sehr stark verbogen abgebildet. Die kissenförmige Verzeichnung wirkte bei der Beobachtung der hohen Gebäude extrem, so als schaute man einen expressionistischen Film aus der Stummfilmära. Mir wurde bei diesem Anblick tatsächlich etwas übel. Möglicherweise war mit diesem Glas etwas nicht in Ordnung. Die Kürze der Zeit erlaubte mir leider nicht, dem näher auf den Grund zu gehen.
Das Sehfeld des Zeiss ist bemerkbar größer als das des Leica. Der Teil des Sehfeldes, um den das Zeiss das Leica überragt, zeigte sich aber bei punktförmigen Lichtquellen als durchweg unscharf. Im Vergleich dazu, war die Unschärfe am Rand beim Leica wesentlich weniger ausgeprägt. Beide Gläser zeigten in einem sehr großen Bereich der Bildmitte keinerlei Farbsäume beim Betrachten von kontraststarken Objekten. Reflexe (Schwenken vor einer Straßenlaterne) waren bei beiden Gläsern sehr gut unterdrückt.
Ein großer Vorteil des Zeiss liegt in seinem wesentlich besseren Nahbereich (2 m). Als Brillenträger muss ich zur Vermeidung von Kidneybean- bzw. Abschattungseffekten die Augenmuscheln des Zeiss auf Raststufe 1 herausdrehen. Die Augen liegen dadurch weiter von der Okularen entfernt, was zumindest unter den genannten städtischen Bedingungen mit zahlreichen Lichtquellen zu unangenehmen Reflexionen im Bild führte. Ich vermute, dass sich Lichtquellen aus der Umgebung in meinen Augen spiegelten und zu Reflexen auf den Okuaren führte. Mit dem Leica, das ich mit ganz hereingedrehten Augenmuscheln verwendete, gab es jedenfalls diesen Effekt nicht.
Wie schon so häufig, empfand ich das Einblickverhalten des Leica Fernglases wieder einmal als besonders angenehm. Ich werde diesen Vergleich bei Gelegenheit noch einmal mit anderen Gläsern wiederholen, um die bis jetzt gewonnenen Eindrücke weiter zu vertiefen.
S. Green