Hallo Herr Gehlen,
ich hoffe, daß das mit Worten überhaupt zu beschreiben ist, was hierbei von Interesse ist.
Bei Seeing Messungen müssen Sie im Grunde die gesamte Wellendeformation vermessen. Einfache Parameter, die die Gesamtvariation als Frequenzparameter beschreiben, reichen hier nicht. In erster Näherung kann dies geschehen innerhalb von Teilausschnitten der Öffnung (Pupille), in denen die Lichtphasenverschiebungen gemessen werden. Bei adaptiver Optik nutzt man inzwischen "Laser-Sterne" als Referenz, um diese Teilpupillen zu justieren. Anfänglich waren die Profis hier nur im Infraroten erfolgreich. Einerseits deswegen, weil die Variationen hier langsamer sind. Teilweise wohl auch deswegen, weil man im kurzwelligen keine entsprechend starken Laser zur Verfügung hatte, die genügend Licht in die Luft projizieren könnten.
Aus dem Bauch heraus kann ich Ihnen bezüglich der Variabilität auch nur antworten, daß diese sehr stark witterungsbedingt ist. Ist die Luft ruhig, sind die Speckle-"Flatschen" kleiner und langsamer. Bei typischem Wetter mit (unsichtbaren) Cirren oder Wetterumschwung, kündigt sich dieser bereits im Seeing an. Hier sind die Bewegungen bereits so hochfrequent, daß man mit Belichtungszeiten von 1/25 Sek (25 Hz) nicht mehr hinkommt. Wir hatten allmählich ein Gefühl dafür entwickelt, daß wir an den Bildern im Sucher des 1m Cassegrain fast vorhersagen konnten, wie lange wir noch beobachten konnten und ob es sich morgen gelohnt hätte, die Kuppel überhaupt zu öffnen.
Das größte Hindernis, das sich leider stellt ist die Tatsache, daß diese Art der Kompensation, wenn überhaupt nur in einer solch kleinen Region funktioniert, in der Isoplanasie gilt. D.h. eine Region, die so klein gewählt ist, daß nebeneinanderstehende Bildpunkte (Sterne) gleiche Bilder ergeben. Dies ist je nach Heftigkeit der Turbulenzen eine solch kleine Region, daß man allenfalls Bildausschnitte wie Planeten und enge Doppelsterne überhaupt sinnvoll damit bearbeiten könnte. Mehr als wenige Bogensekunden bis zu einer Bogenminute ist nicht drin. Für Wide-Field Imaging ist diese Technik überhaupt nicht zu gebrauchen. Zwei Sterne im VC200L auf der rechten und linken Seite eines Chips von der Größe einer modernen SLR Kamera würden gleichzeitig völlig unterschiedliche Bilder ergeben. Weswegen diese Kompensation hier theoretisch und praktisch versagt. Ich kann den Spiegel ja nicht in zwei Richtungen gleichzeitig verbiegen.
Am einfachsten kann man dies zeigen, wenn man visuell den Mond beobachtet. Neben den kleinen Seeingeffekten, die die Unschärfe verursachen, kann man dann die großräumigen Seeing-Terme wunderschön beobachten, die wie langsame Wellen über verschiedene Regionen des Mondes ziehen und regional unterschiedliche Bilder der lokalen Punktbild-Übertragungsfunktion produzieren.
Ob es den Aufwand lohnt, mit Amateurmitteln solche Techniken zu etablieren?
Nun, soweit ich mich erinnere hat man früher solche Experimente unternommen. Die Technik wäre allenfalls für Planetenphotografie zu gebrauchen. In solch kleinen Bildausschnitten hat man leider meist keinen Referenzstern mehr zur Verfügung. Überschreitet man die Isoplanasie, um einen anderen Stern heranzuziehen, würde man ja den Spiegel falsch deformieren. Vielleicht könnte man noch die Planetenmonde als Referenzstern heranziehen? Bei diesen Belichtungszeiten sind die Saturnmonde bereits zu schwach. Allenfalls Jupiter wäre machbar. Problem hier: Die Monde sind keine Punkte mehr, sondern selbst bereits Scheiben. Damit könnte man wieder keine gute PSF erzeugen. Es sei denn Sie könnten sich für einen gepulsten Hochleistungslaser als Kunststern erwärmen. In diesem Falle sollten Sie in Erwägung ziehen, Ihr Einfamilienhaus für den Referenzstern und dessen Stromversorgung als Anzahlung wegzugeben. In diese Kostenrechnung habe ich die Photonendetektoren und Rechnerhardware noch nicht einbezogen. :-)
Wenn Sie mich fragen: Nachträgliche Bildverarbeitung ist billiger und für Wide-Field Imaging obendrein zu gebrauchen.
Ebenfalls billiger ist es einige praktische Tipps zu beherzigen. Kuppel bereits Stunden vor der Dämmerung aufreißen, aus der Sonne drehen, Eingangstüre, evtl. vorhandene Fenster Öffnen, Tubusabdeckung abnehmen, Teleskop so weit möglich horizontal stellen, damit sich kein Staub auf dem Spiegel ablagert, für ordentlich Durchzug in der Hütte sorgen. Hauptproblem sind aufgeheizte Böden und Gebäude, oder Turbulenzen durch Strömumgsabriss am Kuppelspalt. Erfahrene Astronomen, die eine Kuppel haben werden wahrscheinlich bereits festgestellt haben, daß man selbst bei schwachem Wind nur in manche Richtungen gute Luft hat. Die klassische Seeingprobe bei defokussiertem Stern zeigt warum und wohin sich die Luft bewegt. Die klassische Rundkuppel ist bei Profis aus eben diesen Gründen ein wenig aus der Mode gekommen. Wer kann, sollte Teerböden wie Parkplätze oder aufgeheiztes Gestein weiträumig meiden, auch wenn es manchmal weit und breit der beste Aufstellungsort erscheint. Machen Sie mal die Barfußprobe, wie lange dieser Untergrund im Sommer warm bleibt.
Viele Grüße
Thilo Bauer
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 17.09.07 13:56.