Der von Ihnen vermutete Zusammenhang, maximaler Kontrast führe zu höheren Farbsäumen, kann keinesfalls bestehen, wenn wir zunächst von ein und demselben Bildort reden. Kontrast an einem Bildort ist das Resultat minimierter Bildfehler. Jedes Licht, das einem hellen Punkt verloren geht, weil es zum Beispiel in einen farbigen Saum an einer Hell/Dunkelgrenze abgelenkt wird, anstatt am vorgesehenen Bildort zu landen, mindert den Kontrast und auch das Auflösungsvermögen. Farbsäume reduzieren demzufolge immer Kontrast und Auflösungsvermögen. Umgekehrt anzunehmen, sie würden von hohem Kontrast hervorgerufen, käme etwa der Annahme gleich, hohe Geschwindigkeit eines Autos könne zu einem hohem cw-Wert (Luftwiderstandsbeiwert) der Karosserie führen.
Um den Kontrast zu erhöhen, kann man zwei Wege einschlagen. Zum einen müssen die unvermeidlichen Aberrationen der Linsen, von denen der Farbfehler ja nur eine unter vielen ist, durch möglichst geschickte Kombination mehrerer Linsen minimiert werden. Zum anderen muß das aus den verbleibenden unumgänglichen Restfehlern resultierende Falschlicht, (Licht, das unerwünschterweise in dunkle Bildpartien eindringt) ebenso wie das nicht bildgebende Streulicht aus Fassungsreflexionen etc., möglichst gut unterdrückt werden. Dies kann durch geschickt gestaltete Profile der innerern Oberflächen im Fernglas, entsprechende Blenden usw., also ein gutes inneres Tubusdesign und eine gute Innenschwärzung erreicht werden. Unkontrolliert vagabundierendes Licht oder Reflexe führen leider nicht nur zu Kontrastminderung, sondern erschweren auch die Bildinterpretation der Wahrnehmung. Viele Hersteller widmen dem Punkt Streulichtreduktion allerdings zu wenig Aufmerksamkeit, während sich z.B. Leica hier traditionell schon immer viel Mühe gegeben hat. Nicht umsonst werden der hohe Kontrast und die guten Gegenlichteigenschaften der Leica-Gläser daher immer wieder gelobt, weil sie ein angenehm störungsarmes Beobachten ermöglichen. Für eine Steigerung von Kontrast und Wahrnehmungskomfort ganz allgemein der Unterdrückung von Streulicht und Reflexen mehr Aufmerksamkeit zu widmen, würde sich meiner Meinung nach bei den normalen Vergrößerungen mehr auszahlen, als teure apochromatische Linsen gegen Farbrestfehler zu verbauen.
Sollten Sie aber nicht Kontrast und Farbsaum an ein und demselben Bildort gemeint haben, sondern eine Korrelation von hohem Kontrast in der Bildmitte mit höheren Farbsäumen in der Peripherie, so gibt es hier keinen zwangsläufigen Zusammenhang, wie ja Herr Schön bereits klargestellt hatte. So etwas kann sein, muß aber nicht, ebenso wie das Gegenteil. Denn welche Toleranzen die Entwickler für welche Aberration in welcher Bildhöhe zulassen und welchen Stellenwert sie dabei dem Farbfehler geben, ist Auslegungssache beim Optikdesign.
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 06.05.08 12:47.