Ich werde mich hüten, irgend etwas zur astronomischen Brauchbarkeit von Spektiven von mir zu geben - ich habe eine zu hohe Meinung von allen, die ein anspruchsvolles Hobby wie Astronomie, Fotografie oder eben auch Feldornithologie mit hohem persönlichen Anspruch und Zeitaufwand betreiben. Denen möchte ich dann auch gern den Vortritt lassen, wenn es um die Beurteilung der Brauchbarkeit eines Instrumentes in einem Wissensgebiet geht, in dem ich mich leider nicht auskenne und wofür es wohl ursprünglich nicht gedacht war.
Da ein Artenschützer hier in diesem Forum das Gegenlichtverhalten des Kowa 884 kritisiert hat, habe ich diesen Punkt natürlich mit der allerdings tatsächlich gebotenen Vorsicht bewusst angetestet - mit dem Ergebnis, dass ich das Gegenlichtverhalten des TSN 883 bisher für insgesamt unproblematisch halte.
Die Schärfe des Kowa-Zooms 20...60 fällt in der Nähe von 60facher Vergrößerung im Feld kaum merklich ab, bei 60fach kenne ich kein vergleichbar gutes Spektiv. Sonst habe ich in der Beobachtungspraxis nichts von Schwächen des Kowa 20...60 Okulars bei einer bestimmten Vergrößerung bemerkt, was nicht heißt, dass sie nicht messbar sein könnten. Aber nehmen wir mal an, das Kowa-Zoom-Okular hätte annähernd bei 40fach eine Unschärfe, vorher nicht und nachher nicht. Ich sehe weit entfernt einen Vogel, den möchte ich bestimmen. Da drehe ich natürlich so lange am Zoom, bis ich die beste Beobachtung bekomme und ich sehe mir das eventuell nicht leicht nach Alter und Geschlecht zu bestimmende Tier an und ich achte nicht dauernd auf die Vergrößerung, die mir das Zoom gerade zeigen würde, wenn ich anstatt ins Spektiv aufs Okular sähe. Am Tage würde ich dann in schwierigen Fällen wohl oft bei der maximal möglichen Vergrößerung beobachten, und damit würde ich in der Praxis bei einem Zoom einen begrenzten Unschärfebereich doch nicht oder kaum bemerken. Eine solche wirklich nur eng begrenzte Schwäche eines Zoom-Okulars würde in der Feldornithologie daher wohl keine Rolle spielen.
Etwas Anderes ist es mit dem Anvisieren hoch und in steilem Winkel in Bezug auf den Horizont fliegender Vögel. Das muss nicht, kann aber für die Vogelbeobachtung durchaus wichtig sein. Die Rothalsgans unter den Blässgänsen könnte ich glatt verpassen, wenn ich da nicht schnell genug bin. Erst recht zum Beobachten ziehender Greifvögel (man denke an die vielen schwer bestimmbaren Adler) an Brennpunkten des Vogelzuges (Falsterbo, Bosporus, Eilat, Gibraltar z.B.) ist ein Spektiv zur Bestimmung unerlässlich. Und leider muss ich sagen, dass ich nur mit dem kleinen Nikon 50ED und mit dem Kowa 823 eines Freundes so große oder sogar noch größere Probleme mit den Anvisieren so fliegender Vögel hatte wie mit dem Kowa 883. Ob das alte CZJ Asiola, das Optolyth TBS 80, das Habicht AT80, Diascope 85 FL, Leica APO 77 oder Nikon 82 ED, alles Spektive, mit denen ich mal gearbeitet habe, alle diese Spektive sind dem Kowa 883 beim Visieren hoch am Himmel fliegender Vögel überlegen, leider. Mit dem 30fachen Kowa-Okular geht es besser, aber Kowa könnte bestimmt leicht etwas an der Sonnenblende nachbessern. Das Swarovski ATS 80 kenne ich nicht gut genug, aber hat es nicht, glaube ich jedenfalls (sofern es nicht der Eigenbau eines Beobachters war), eine Art (drehbaren ?) Peilstab? Ein Zeichen, dass man in Tirol an diese Beobachter gedacht hat - in Japan offenbar eher nicht. Jedenfalls basteln einige 883 Beobachter sich wohl schon mit Kabelbindern Visier-Notlösungen, und das könnte auch funktionieren.
Aber trotz aller Kritik in diesem Punkt: Meine Empfehlung für das Kowa TSN 883 steht.
MP