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Hans
Aber muss ein Glas dann auch gleich diese merkwürdigen Verzeichnungen haben wie die Swarovisions (in unterschiedlichem Maße) und das 8x42 SF? Oder liegt es daran, dass diese Gläser alle von einem Designer (Konrad Seil) gerechnet worden sind oder mindestens auf die Arbeiten eines Designers zurückgehen?
Hallo Hans,
die angesprochenen Effekte sind eine Nebenwirkung der Bildfeldebnung. Man muss sich das so vorstellen: Man hat auf der einen Seite das Okular - einen Block aus Linsen kurzer Brennweiten mit starker Bildfeldwölbung, und dem gegenüber steht die Bildebnungslinse (oder -linsen) - eine negative Linsengruppe, die eine entgegengesetzte Wölbung erzeugt. Nun liegen die beiden Gegenspieler natürlich nicht in derselben Ebene, und die beiden entgegengesetzten Wölbungen können sich daher gar nicht komplett aufheben. Der Designer steht also vor der Wahl, in welchem Bereich des Sehfeldes er einen Ausgleich erzielen will. Die Wahl fällt dann auf den Außenbereich, in dem ja die krummen Linien der Verzeichnung besonders auffällig sind. Das Resultat sind Abbildungen, die nahe des Zentrums noch kissenförmig verzeichnen (was nicht weiter auffällt), zum Rand hin dann weitgehend verzeichnungsfrei werden, und, wenn man zu ehrgeizig war, ganz weit außen dann eventuell sogar noch etwas überkorrigiert werden und dann sogar eine tonnenförmige Verzeichnung aufweisen. Das ist die bekannte "Mustache-Verzeichnung" (Wortschöpfung von Henry Link, wenn ich mich nicht irre). Das Bild ist einwandfrei, solange es statisch ist, aber beim Schwenken des Fernglases wird es dann schwindelerregend.
Bei Swaro nimmt man diese Effekte in der SV Reihe bewusst in Kauf, um den Benutzern ein möglichst perfektes statisches Bild zu bieten. Bei den SLC verzichtet man auf eine starke Bildfeldebnung, und hat damit Ferngläser, die beim Schwenken keine Probleme bereiten. Zeiss hat es beim 10x42 SF trotz relativ starker Bildfeldebnung gut hinbekommen, beim 8x42 passten die Parameter wohl weniger gut zusammen. Vor die Wahl gestellt, entweder auf ein randscharfes Bild zu verzichten, oder sich eine Mustache-Verzeichnung einzuhandeln, hat man sich offenbar für das zweite Übel entschieden.
Leica scheint mit den Noctivid einer konservativen Designphilosophie zu folgen: Man verzichtet ganz auf eine komplette Bildfeldebnung, verringert diese nur ein wenig und lässt eine moderate Unschärfe im Randbereich zu; ferner beschränkt man sich auf moderate Sehfelder. Damit erreichen sie eine gute Balance, und eine Abbildung, die in allen Belangen fast einwandfrei wirkt. Notwendigerweise verzichtet man damit auf Superlative (super-randscharf, super weite Sehwinkel).
Sehr weite Sehfelder und vollständige Bildfeldebnung sind nur schwer vereinbar. Man bräuchte jedenfalls ganze Linsengruppen für die Bildfeldebnung, um dann Schritt für Schritt die Krümmungen jeweils höherer Ordnungen auszumerzen. Ist alles möglich und in teuren Kameraobjektiven umgesetzt, wäre aber schwer und kaum bezahlbar. Mal abwarten, was Nikon so alles in seine neuen Superweitwinkelgläser stecken wird.
Viele Grüße,
Holger