Nachdem ich eine Nacht darüber schlafen konnte, scheinen mir die neuen Noctivids doch ganz konsequent zu sein.
Was hat man im Vergleich zum Ultravid HD Plus verändert?
1. Es gibt eine Bildebnungslinse. Man folgt somit dem von Nikon und Swarovski eingeleiteten Trend zu Ferngläsern mit verbesserter Randschärfe. Nachdem Zeiss das SF eingeführt hatte, war Leica der letzte Mohikaner, der noch mit der klassischen Bildfeldwölbung auftrat.
2. Der Austrittspupillen-Längsabstand ist (als Konsequenz von 1.) jetzt auf 19mm verlängert worden - gut für die Brillenträger.
3. Es gibt einen Durchgriff - ebenfalls dem Trend folgend.
4. Die Transmission wurde jetzt (nach Angaben des Herstellers) auf 92% angehoben. Dazu war sicher eine teure Investition nötig, denn diese Plasmabeschichtungsgeräte sind wohl nicht ganz billig. Man beachte, dass Leica im Datenblatt der Ultravid HD Plus die Transmission nicht angab (vermutlich, weil man unter 90% lag und sich somit im Rückstand wähnte).
5. Der Nahpunkt wurde von den in den 1990er Jahren typischen 3m auf 1.9m vorverlegt. Auch hier hat man sich jetzt der Konkurrenz von Zeiss und Swaro angepasst.
6. Das Sehfeld des 8x42 wurde ein wenig vergrößert - von 130m/1000m auf 135m/1000m. Das 10x42 bleibt bei 112m/1000m. Man überlässt das Feld der Weitwinkeloptiken also kampflos den Zeiss SF. Das macht aber Sinn, da Leica sich ja eher als ein Hersteller kompakter Optiken etabliert hat.
Nun gibt es zwei Knackpunkte, die nicht ganz ohne sind:
7. Die Bildebnungslinse erfordert größere Okulare (eben solche mit längeren Brennweiten). Der Vorteil ist Punkt 2, der Nachteil ist ein höheres Gewicht. Das 8x42 ist jetzt um 70g, das 10x42 sogar um 100g schwerer (im Vergleich zum UV HD Plus). Die Ferngläser sind auch etwas länger geworden.
8. Auch fordert der kürzere Nahpunkt einen größeren Fokussierhub, vermutlich auch eine schnellere Übersetzung des Getriebes.
Der Punkt 7 nagt also am Status der Leica Gläser als möglichst kompakte und leichte Gläser. Leica konnte bis zuletzt von der Abwesenheit der Bildebnung profitieren, die ihnen kleinere und leichtere Okulare erlaubte. Zumindest dieser Vorteil ist jetzt weg.
Punkt 8 ist potenziell gefährlich: Mit dem einst weiten Nahpunkt von 3m konnte Leica stets eine hervorragend präzise Fokussierung garantieren. Auch diese festigte den Ruf der Marke als ein Garant absoluter Präzision. Man kann nur hoffen, dass Leica sich mit dem kurzen Nahpunkt nicht die Probleme in der Fokussierung einhandelt, mit denen Swaro und Zeiss zum Teil Furore gemacht haben.
Alles zusammengenommen ist das neue Noctivid eine logische Weiterentwicklung des UV HD Plus. Die Verbesserungen 1-6 waren unumgänglich und eine direkte Reaktion auf Vorgaben der Konkurrenz. Leica schließt auf, sofern es die Randbedingungen (die Geräte sollten noch immer kompakter bleiben als die der Konkurrenz) erlauben, prescht aber auch nicht vor. Es wird interessant werden, hier einen Quervergleich zum neuen Nikon Monarch HD zu ziehen: Irgendwie hat Nikon es geschafft, weite Sehfelder mit einem geringen Gewicht zu vereinbaren.
Viele Grüße,
Holger