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Schulnoten zur Bewertung, Überprüfung der Verzeichnung

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13. Januar 2008 12:49
Danke für die Nachlieferung Ihrer Bewertung durch „Schulnoten“. Diese Skalierung ist jedem vertraut und daher für solche Zwecke gut geeignet. Ein Problem ist allerdings, daß solche Noten immer relativ sind, da man ja die Erfahrungen, Ansprüche und Maßstäbe der Prüfperson nicht kennt. Was Sie mit Note 1- bewerten, könnte bei mir möglicherweise nur Note 3 erhalten und ebenso auch umgekehrt. Aber das ist natürlich keine Kritik an Ihrem Beitrag, sondern ein allgemeines Problem jeder subjektiven Bewertung. Dennoch sind Bewertungen immer hilfreich, wenn man anhand einer zusätzlichen Beschreibung (wie in Ihrem ersten Beitrag dazu) einigermaßen nachvollziehen kann, wie die bewertende Prüfperson vorgegangen ist.

Auf Details des Globuseffekts will ich jetzt und hier nicht eingehen, weil das doch ein bißchen kompliziert ist und zu einer Erklärung, die (fast) jeder verstehen kann, auch Zeichnungen gehören. Ich habe hier nicht die Möglichkeit, Zeichnungen hinzuzufügen und habe momentan auch nicht genug Zeit, um solche Zeichnungen und lange Erklärungen anzufertigen. Also muß ich mal wieder auf mein Fernglasbuch verweisen (vertrösten).

Zur Prüfung der Verzeichnung jedoch will ich etwas sagen, weil das viel einfacher und auch ohne Illustrationen leicht nachzuvollziehen ist. Ich hatte hier im Forum zwar schon mehrfach entsprechende Empfehlungen gegeben, aber es schadet nicht, sie mit einem neuen Beitrag aufzufrischen.

Bevor ich genauer auf die Verzeichnung eingehe, möchte ich aber noch sagen, daß man mit Hilfe von bekannten Sternabständen nur den tatsächlichen Sehwinkel messen kann, aber nicht den scheinbaren! Den scheinbaren Sehwinkel kann man dann zwar bei Kenntnis des exakten Vergrößerungsfaktors unter der Voraussetzung verzeichnungsfreier (!) Wiedergabe berechnen, aber welches Fernglas ist verzeichnungsfrei? Die Verzeichnung wird weder vom Hersteller angegeben, noch ist sie auf einfache Weise direkt meßbar. Erst wenn man dann den scheinbaren Sehwinkel auf direkte Weise mißt, z.B. wie ich es mit einem Grünlaser mache, kann man aus diesem Ergebnis zusammen mit einem gemessenen tatsächlichen Sehwinkel und der Vergrößerung die Verzeichnung berechnen. Aus diesem Grund sollte man nie einen scheinbaren Sehwinkel als „Testergebnis“ angeben, den man nicht direkt gemessen, sondern nur (mit möglicherweise sehr großem Fehler) aus dem tatsächlichen Sehwinkel auf welche Weise auch immer abgeleitet hat.

Verzeichnung ist bei der Fernglasbeobachtung an der Durchbiegung von randnahen, nicht radial verlaufenden Linien zu erkennen, die im realen Gegenstand gerade verlaufen, also z.B. an Kanten von Gebäuden, Masten (Fahnen-, Strom-, Laternenmasten usw.), Türmen. Für die folgenden Erklärungen will ich mich der Einfachheit halber auf vertikale gerade Linien in der Nähe des linken und rechten Bildrandes beschränken, obwohl dieselbe Art von Verzeichnung auch an horizontalen Linien nahe dem oberen und unteren Bildrand oder auch an schräg verlaufenden geraden Linien nahe dem Sehfeldrand auftreten. In der Praxis fallen übrigen aus verschiedenen, hier nicht näher zu erläuternden Gründen Durchbiegungen vertikaler gerader Linien meistens viel stärker auf als solche horizontaler Linien.

Sind die geraden vertikalen Linien nahe dem linken und rechten Bildrand so durchgebogen, daß ihr „Bauch“ zur Bildmitte hin zeigt, spricht man von kissenförmiger Verzeichnung. Zeigt ihr „Bauch“ nach außen (ist er also nach der gleichen Seite gewölbt wie der benachbarte Bildrand), dann spricht man von tonnenförmiger Verzeichnung. Bei Ferngläsern kommt fast nie tonnenförmige Verzeichnung vor; die Regel ist eine schwache bis starke kissenförmige Verzeichnung.

In Tests von Fotoobjektiven (z.B. in Fotozeitschriften) wird oft ein Verzeichnungswert in Prozent angegeben, der leider über das Ausmaß der Liniendurchbiegung oft sehr wenig aussagt. Eine starke Durchbiegung wird nämlich nicht von einem hohen Prozentwert der Verzeichnung verursacht, sondern von einem schnellen (steilen) Anstieg der Verzeichnungskurve über der Bildhöhe. Wenn z.B. ein Foto-Weitwinkelzoom im Weitwinkelbereich von der Bildmitte (in der die Verzeichnung definitionsgemäß 0 ist) aus mit anwachsender Bildhöhe (= Abstand des Bildpunktes vom Durchstoßpunkt der optischen Achse durch die Bildebene, also normalerweise von der Bildmitte) eine immer stärker werdende negative Verzeichnung aufweist, z.B. bis zu -3% auf halber Bildhöhe, um danach wieder auf 0 zurückzukehren und noch weiter außen bis zur Bildecke eine positive Verzeichnung von z.B. +1,2% zu erreichen, dann steht in der sog. Tests der Fotozeitschriften als Verzeichnungswert „+1,2%“. Die optisch leider unzureichend bewanderten Fototester messen nämlich der Einfachheit halber nur die Verzeichnung in der Bildecke, weil sie dort vermeintlich (aber nicht tatsächlich) den größten Wert erreicht.

Nun haben wir im Falle des eben genannten Beispiels eine Durchbiegung gerader vertikaler Linien von etwas seltsamer Art: Eine gerade vertikale Hauskante, die näher an der Bildmitte als zum Bildrand verläuft, erschiene tonnenförmig durchgewölbt, weil in diesem Bereich die Verzeichnungskurve erst immer steiler und dann wieder flacher abfällt. Eine abfallende (nicht notwendigerweise negative) Kurve ergibt tonnenförmige Durchbiegung. Betrachen wir dann eine zweite vertikale Hauskante weiter außen, also näher zum Bildrand als zur Bildmitte. Hier ist der Verzeichnungswert zunächst negativ, die Kurve steigt aber an, und das bedeutet (trotz negativer Werte!) eine kissenförmige Durchbiegung. Die ist nicht unbedingt dort an stärksten, wo der Verzeichnungswert am größten ist (also in der Ecke mit +1,2%), sondern dort, wo die aufsteigende Verzeichnungskurve auf steilsten aufwärts weist. Das kann schon weit vor dem Bildrand sein.

Objektivhersteller kennen die fachliche Inkompetenz der meisten Fototester und wissen sie seit vielen Jahrzehnten zu nutzen: Man muß die Verzeichnungskurve möglichst so verlaufen lassen, daß in der Bildecke ein Wert nahe 0 erreicht wird, um im Test gute Noten zu bekommen.

So kann es dann passieren, daß ein Superweitwinkelobjektiv von einem Architekturfotografen deshalb gekauft wird, weil der Test z.B. in der Zeitschrift „Foto Color“ oder „Color Magazin“ diesem Objektiv den Verzeichnungswert -0,2% zuerkannt hat, also fast 0 und somit vermeintlich fotografisch irrelevant ist. Dann macht der Fotograf damit Aufnahmen von Gebäuden und stellt fest, daß gerade Linien im inneren Teil des Bildes, also außerhalb der Mitte, aber ihr noch relativ nahe, tonnenförmig durchgebogen sind und im äußeren Teil des Bildes gerade Linien umgekehrt kissenförmig durchgebogen sind. Der Grund: Die in der Mitte bei 0 beginnende Verzeichnungskurve verlief zunächst immer steiler werdend nach unten, erzeugt am mathematischen Wendepunkt (= Punkt größter Steilheit) der Kurve seine stärkste tonnenförmige Durchbiegung, obwohl dort die Verzeichnung z.B. nur -1,5% beträgt, dann wird die Kurve wieder flacher, um am Minimum z.B. mit einem Verzeichnungswert von -2,8% für einen Moment horizontal zu verlaufen und somit an dieser Stelle trotz des hohen Vereichnungswertes von -2,8% überhaupt keine Durchbiegung zu verursachen. Sobald aber weiter außen die Verzeichnungskurve ansteigt, verursacht sie kissenförmige Durchbiegung, selbst wenn der Verzeichnungswert zunächst weiterhin negativ bleibt. Und falls die Kurve zufällig dort, wo sie die x-Achse schneidet, also wieder den Verzeichnungswert 0 erreicht, auf steilsten nach oben verläuft, erzeugt sie ausgerechnet dort, wo der Verzeichnungswert 0 beträgt, die stärkste kissenförmige Durchbiegung. Das zeigt sehr drastisch, wie unsinnig die Verzeichnungsangaben in den Fotozeitschriften sind (Ausnahme: in den späten 70er- und frühen 80er-Jahren, als ich Objektivtests für zwei Fotozeitschriften machte).

Zurück zum Fernglas, wo in der Regel nur kissenförmige und tatsächlich zum Rand hin kontinuierlich zunehmende Verzeichnung auftritt, also anders als bei Fotoobjektiven (insbesondere Zooms mit Weitwinkelbereich) eine maximale Durchbiegung mit einem maximalen Verzeichnungswerts am Bildrand korrespondiert.

Die kreisförmige Sehfeldbegrenzung erschwert ein wenig die Erkennbarkeit und kann sogar bei tatsächlich verzeichnungsfreier Wiedergabe eine leichte kissenförmige Verzeichnung vortäuschen (optische Täuschung). Andererseits kaschiert die runde Sehfeldbegrenzung auch eine Durchbiegung, weil die gerade Bildkante eines Fotos als Referenzlinie zum leichteren Erkennen einer durchgebogenen Gebäudekante fehlt.

Um die Durchbiegung, für deren Erkennen nicht jeder Mensch gleich sensibel ist (ebenso wie auch beim Globuseffekt, den nicht jeder wahrnimmt bzw. nicht jeder gleich störend wahrnimmt), beim Vergleichen verschiedener Ferngläser oder auch nur bei einem einzigen Fernglas besser beurteilen zu können, geht man am besten so vor:

Suchen Sie sich eine weiter entfernte vertikale Gebäudekante oder noch besser einen vertikalen Mast, Stab, Maibaum oder ähnlichen Gegenstand. Die weitere Entfernung empfiehlt sich, weil sich das Ausmaß der Verzeichnung bzw. Durchbiegung im Nahbereich etwas ändern kann, aber in der Praxis das Fernglas viel häufiger im Fernbereich als im Nahbereich eingesetzt wird (daher „Fern“glas). Die vertikale Linie sollte so lang sein, daß sie auch in der Sehfeldmitte die volle Bildhöhe ausfüllt.

Nun peilen Sie diese vertikale Linie mit dem Fernglas an. Sie verläuft, wenn sie in der Mitte des Sehfeldes steht, schnurgerade. Nun schwenken Sie das Fernglas langsam abwechselnd so nach links und rechts, daß die vertikale Linie im Sehfeld zwischen dem rechten und linken Sehfeldrand hin und her pendelt. Dabei können Sie bei der richtigen Pendelfrequenz (etwa 1 Hz bis 0,5 Hz erscheint mir optimal) sehr schön beobachten, wie der „Bauch“ der Durchbiegung jeweils die Richtung wechselt (immer zur Sehfeldmitte hin, also Bauch nach links, wenn die Linie nahe dem rechten Rand steht, aber nach rechts, wenn die Linie nahe dem linken Rand steht). Wenn Sie das mehrmals machen, können Sie sich einigermaßen Einprägen, wie stark der „Bauch“ ist, jedenfalls viel, viel besser als bei unbewegtem Fernglas. Im Vergleich läßt sich dann auch grob, aber für die praktische Relevanz ausreichend gut beurteilen, welches Fernglas stark oder zu stark und welches wenig verzeichnet.

Ob dann das weniger verzeichnende Fernglas für Sie das bessere ist, steht auf einem anderen Blatt. Denn je geringer die Verzeichnung, desto stärker der Globuseffekt. Diese beiden Eigenschaften sind physikalisch bedingt gegenläufig. Was besser ist, also wenig Verzeichnung und damit stärkerer Globuseffekt oder stärkere Verzeichnung und damit schwacher Globuseffekt, hängt von der Sensibilität des individuellen Beobachters für diese beiden Effekte ab. Mancher empfindet den Globuseffekt als sehr störend oder gar „übel“ (weil es im Extremfall Übelkeit verursachen kann), mancher nimmt ihn selbst dann kaum oder nicht wahr, wenn man ihn darauf hinweist. Und mit der Verzeichnung ist es (bis auf die dort noch nie beobachtete Übelkeit) ähnlich. Mancher bemerkt die Durchbiegung sofort als störend, mancher merkt nichts davon.

Somit kann Verzeichnung oder Globuseffekt nie pauschal als Qualitätskriterium beurteilt werden. Man kann die Durchbiegung (nur im Falle der Ferngläser, nicht bei Fotoobjektiven!) durch den Verzeichnungswert ausdrücken und messen bzw. aus anderen Meßwerten (von tatsächlichem und scheinbaren Sehwinkel und der Vergrößerung) berechnen und angeben. Für verzeichnungssensible Beobachter ist ein kleiner Verzeichnungswert vorteilhaft, für globuseffektsensible ein großer Verzeichnungswert.

Walter E. Schön
Thema Autor Klicks Datum/Zeit

Testbericht Nikon Monarch 10 x 56 DCF

Andreas Werner 12952 12. Januar 2008 00:29

Re: Testbericht Nikon Monarch 10 x 56 DCF

Robert Fritzen 3104 12. Januar 2008 11:29

Re: Testbericht Nikon Monarch 10 x 56 DCF

Frank 3289 12. Januar 2008 11:36

Re: Testbericht Nikon Monarch 10 x 56 DCF

Robert Fritzen 2994 12. Januar 2008 12:09

Re: Testbericht Nikon Monarch 10 x 56 DCF

Roger Hannover 4723 13. Januar 2008 11:08

Drei Fragen zu Ihrem Erfahrungsbericht (Test?)

Walter E. Schön 3299 12. Januar 2008 16:49

Re: Testbericht Nikon Monarch 10 x 56 DCF

Andreas Werner 3026 13. Januar 2008 00:07

Schulnoten zur Bewertung, Überprüfung der Verzeichnung

Walter E. Schön 3408 13. Januar 2008 12:49

Bedeutet Verzeichnung Variation der Vergrößerung?

Volker Werres 2215 13. Januar 2008 14:33

Definition der Verzeichnung und resultierende Folgen (vorsicht, langer Beitrag!)

Walter E. Schön 3494 13. Januar 2008 18:40

Danke für die ausführliche Begründung, ich melde mich, wenn ich es komplett intus habe.

Volker Werres 2240 13. Januar 2008 20:41

Re: Testbericht Nikon Monarch auch monarch X getestet?

ika 2064 08. Juni 2010 22:20



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