Wie ich inzwischen mehrfach betont habe (und jetzt müßte das nach einer weiteren Wiederholung endlich auch bei Ihnen registriert werden), habe ich in den nächsten Tagen, vermutlich etwa eine Woche lang, eine umfangreiche Betriebswirtschaftliche Bewertung für das Finanzamt zu erstellen und darum keine Zeit, lange Beiträge zu schreiben. Würde ich dieser BWA nicht Vorrang einräumen, müßte ich in demnächst mehrere tausend Euro zuviel Steuervorauszahlung leisten, die weder Sie noch jemand anderer mir ersetzt oder vorschießt (weil ich das Geld ja in einigen Monaten nach Abgabe der Jahres-Einkommensteuererklärung wieder erstattet bekäme).
Also setzten Sie mich jetzt nicht unter Druck.
Ich kann aber schon auf den wesentlichen Fehler hinweisen, der in folgendem Zitat steckt:
„In unserer WAHRNEHMUNG sind die Punkte also zusammengerückt.“
Das wäre bei einem ebenen Bild, das man auf die zylindrische Fläche einer rotierenden Litfaßsäule geklebt hat, zwar vom Ort des Betrachters aus gesehen scheinbar der Fall, doch ist nicht dies, sondern das von der Mitte zu beiden Seiten auftretende Verschiebegeschwindigkeits-Gefälle die Ursache des Zylindereffekts. Bedenken Sie: der Effekt tritt nur bei der durch Schwenken des Fernglases verursachten Bewegung des Bildes auf. also müssen dynamische Vorgänge (Geschwindigkeit) statt statischer (Abstände) wirksam sein. Aber das ist noch nicht alles.
Tatsächlich liegen (schon im stillstehenden Bild) bei horizontaler Schwenkrichtung längs des horizontalen Durchmessers alle gleichen Winkelabständen entsprechenden beliebig dichten Punkte nicht von der Mitte zum Rand hin enger zusammengerückt, sondern auseinandergezogen, nämlich um den schon einmal erwähnten Faktor 1/cos² alpha, wenn alpha der Winkel zwischen der opt. Achse und der Blickrichtung zum betrachteten Punkt ist. Das hat zur Konsequenz, daß sich randnahe Punkte beim Schwenken schneller verschieben als solche nahe der Mitte. Das ist ein Effekt, wie man ihn im Fernsehen täglich sehr deutlich vorgeführt bekommt, wenn mit einer Kamera mit Weitwinkelobjektiv eine große Gebäudefassade abgeschwenkt wird – ich hatte darauf schon mehrfach hingewiesen.
Beim Schwenken des Fernglases müßten, wenn kein störender Effekt eintreten soll, alle Sehwinkel zwischen je zwei beliebigen Bildpunkten, also z.B. dem zum Zeitpunkt t(0) im Mittelpunkt des Sehfeldes liegenden und einem randnahmen Bildpunkt konstant bleiben. Das wäre dann der Fall, wenn sich die randnahen Bildpunkte wie eben erläutert im richtigen Maße, also an jeder Stelle proportional zu cos² alpha schneller verschöben als in der Mitte.
Dies ist jedoch bei Vergrößerungsfaktoren ungleich 1 nicht der Fall; bei Vergrößerungen größer als 1 erfolgt, wie ich bereits hier
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in meiner Antwort auf das 1. Zitat beschrieben hatte, eine Verlangsamung der Geschwindigkeiten außerhalb der Mitte, und zwar progressiv mit wachsendem Abstand von der Mitte. Der Grund liegt darin, daß der Winkel alpha, der auch hier zur Berechnung des Faktor 1/cos² alpha herangezogen werden muß, nicht derjenige Winkel ist, der sich vom vermeinlichen Standort in dem durch die Vergrößerung dividierten Abstand aus ergibt, sondern derjenige, der vom tatsächlichen Abstand aus resultiert.
Diese Verlangsamung ist das, was den Zylindereffekt verursacht. Man muß die Bildverschiebungen als Überlagerung der an sich erwarteten linearen Verschiebung eines ebenen Bildes mit dem verlangsamenden Effekt, der durch den Vergrößerungsfaktor bestimmt wird, verstehen. Die Komponente „lineare Bildverschiebung“ ist das, was der Betrachter als „normal“ empfinden würde, die ihr überlagerte progressive Verlangsamung von der Bildmitte zum Rand ist der störende Effekt, den das Gehirn sich plausiben durch eine sich drehende gewölbte Fläche erklärt und darum eine solche empfindet. Daß diese Wölbung nicht sphärisch (und damit zentralsymmetrisch) sondern zylindrisch ist, ergibt sich daraus, daß jeweils in einer vertikalen Linie übereinanderliegende Punkte exakt die gleiche Geschwindigkeit und Verlangsamung zeigen. Bei einer rotierenden Kugel wäre das nicht der Fall und zwar nicht nur in der Sehfeldmitte (wo sich der Meridian befände, in dessen Ebene das Auge des Beobachters liegt), sondern auch im geamten übrigen Sehfeld. Auf diesem mittleren Maridian im senkrechten Durchmesser des Sehfeldes müßten sich bei einer rotierenden Kugel die Verschiebegeschwindigkeiten von der Mitte nach oben sowie symmetrisch dazu von der Mitte nach unten verlangsamen, um an den Polen (auch wenn die außerhalb des Sehfeldes liegen) zu null werden. Längs allen anderen senkrechten Linien tritt beiderseits der senkrechten Mittellinie sogar noch eine viel schnellere Geschwindigkeitsabnahme nach unten wie nach oben ein, d.h mit zunehmender „geografischer Breite“ auf dem von Ihnen angenommenen Globus. Im Bild eines nicht verzeichnenden Fernglases bewegen sich jedoch auch dort sämtliche Punkte längs einer vertikalen Linie mit exakt derselben Geschwindigkeit, also genauso wie auf einem rotierenden Zylinder.
Das war jetzt aber endgültig mein letzter Beitrag zu diesem Theme für mindestens eine Woche. Ein Gymnasiast der Mittelstufe sollte das innerhalb sehr viel kürzerer Zeit nachvollziehen und den Widerspruch zu Ihrem Globusmodell erkennen können. Von einem Professor Dr. Holger Merlitz sollte man eine deutlich schnellere Auffassungsgabe erwarten dürfen. Jetzt bitte nicht wieder mit Funktionen, Integralen und Differentialrechnung argumentieren, weil dann mindestens 95% der Leser, vermutlich sogar noch mehr, Ihnen nicht mehr folgen kann. Das Problem ist viel einfacher und benötigt dieses mathematische Instrumentarium gar nicht! Ich hoffe doch, daß es nicht von Ihnen beabsichtigt ist, mit dem von mir schon mehrfach als (völlig überflüssiges!) „wissenschaftliches Drumherum“ bezeichneten Schwall mathematischer Fachbegriffe die lieben Zuhörer platt zu machen, damit sie denken: „Das ist so kompliziert, daß ich es nicht begreife, also muß es wohl hohe Wissenschaft und folglich richtig sein“. So kann man nämlich auch Nebelkerzen werfen!
Walter E. Schön