Inzwischen habe ich mir das Interstellarum-Sonderheft besorgt und den Fernglastest durchgelesen, in dem es mehrfach Ungereimtheiten gibt – nicht nur bei den garantiert nicht (oder bestenfalls falsch) gemessenen scheinbaren Seh
winkeln, die dort als „subjektive Seh
felder” bezeichnet werden. Weil die dortigen Angaben zum Canon 10x42 L IS WP zu meiner Veröffentlichung „Canon 10x42 L IS WP ist nur ein 10x37 L IS WP“ vom 12.03.2007 [
www.juelich-bonn.com] im Widerspruch stehen, ist hier diskutiert worden, ob meine damalige Messung möglicherweise falsch war oder ob Canon inzwischen eine Änderung an diesem Fernglas vorgenommen hat. Deshalb habe ich eine erneute Messung sowohl an meinem eigenen alten Exemplar von 2006 als auch an einem neuen von 2010, das mir Forumsteilnehmer „Labrador“ freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat, durchgeführt und die von mir festgestellten konstruktiven Änderungen vom alten zum neuen Modell fotografisch dokumentiert. Das Ergebnis habe ich in der Diskussion „Canon 10x42 L IS WP ist nur ein 10x37 L IS WP“ [
www.juelich-bonn.com] eingestellt. Dort findet sich auch ein Link zu den zugehörigen Fotos im Astronomie-Forum.
Danach habe ich zum Vergleich mit den Angaben im Fernglastest von Interstellarum noch die Eintrittspupillengröße des Canon 10x42 L IS WP gemessen und als 40,2 mm ±0,1 mm ermittelt. Das ist etwas weniger, als angeblich Zeiss, und deutlich weniger, als Minox gemessen haben soll.
Die Messung der EP ist insofern gerade bei diesem Fernglas interessanter als die der AP, weil sie nämlich nicht nur der ca. zehnfachen Größe wegen relativ genauer zu messen ist, sondern auch, weil sich ihre Größe bei der Fokussierung durch Objektivverschiebung kaum ändert. Die AP dagegen wird aus den schon ausgeführten Gründen bei Naheinstellung als Folge der zunehmenden Vergrößerung deutlich kleiner.
Ich wundere mich sehr darüber, daß Minox und Zeiss so stark voneinander abweichende Werte gemessen haben sollen – nicht nur bei Canon-, sonder auch beim Minox- und Pentax-Fernglas. Die Differenz ist wesentlich größer als der anzunehmende Meßfehler bei Einsatz eines einfacher Schülerlineals. Man darf doch wohl annehmen, daß sowohl Minox als auch Zeiss über genauere Meßmittel als solche Schülerlineale verfügen.
Ebenso ist unverständlich, warum bei weißem Licht ein nennenswert anderes Ergebnis herauskommen soll als bei grünem. Wäre die EP durch die Objektivfassung definiert, dürfte überhaupt kein Unterschied zwischen den Ergebnissen mit weißem und grünem Licht resultieren. Da aber bei diesem Canon-Fernglas auch in der nachgebesserten Version nicht die Objektivfassung, sondern die mehrere Zentimeter dahinter liegende, in meinen Fotos gekennzeichnete Fassung (der Vari-Angle-Prismen?) den Strahlenkegel begrenzt und somit die EP-Größe bestimmt, wäre zwar bei sehr starker chromatischer Aberration der vor dieser begrenzenden Fassung liegenden Objektive ein winzig kleiner Unterschied (in der Größenordnung von einigen Hundertstelmillimetern) denkbar. Aber dann müßte dieses Fernglas auch ganz fürchterliche Farbsäume zeigen, was es nicht tut, und selbst viele Hundertstelmillimeter können einen Unterschied von bis zu 1,3 mm (zwischen 41,8 mm bei Minox und 40,5 mm bei Zeiss fürs linke Objektiv) nicht erklären.
Ich werde mich deshalb sowohl an Minox als auch an Zeiss wenden und herauszufinden versuchen, wer tatsächlich was gemessen hat. Bei Zeiss, wo angeblich auch die „subjektiven Seh
felder“ gemessen worden sein sollen, will ferner klären, ob und gegebenenfalls wie die scheinbaren Seh
winkel gemessen wurden, weil die in der Tabelle angegebenen Wert bei den auch von mir vermessenen sechs Ferngläsern mit einer Ausnahme (Swarovski EL 10x42 WB: Abweichung nur ca. 0,5°) so stark von meinen Meßergebnissen abweichen, daß sie einfach nicht stimmen können. So jedenfalls wirft dieser Test mehr Fragen auf, als er beantwortet.
Auch was im Text in der Mitte von Seite 14 zum Canon 10x42 L IS WP über „Auflösungstest“ und „Punktabbildung im Sterntest” zu lesen ist, macht alles Vertrauen in das Fachwissen der Tester zunichte.
Auch schon im vorhergehenden Text auf Seite 13 zu den Testmethoden finden sich Ungereimtheiten. So lese ich dort zunächst:
„Das Auflösungsvermögen ... wird übrigens abweichend von DIN ISO 14490-7 nach ISO 14490-4 gemessen“
und dann wenige Zeilen weiter:
„Eine Messung des Auflösungsvermögens nach Rayleigh (ISO 14490-4) wurde nicht durchgeführt“.
Es wird als angeblich erst nach ISI 14490-4 gemessen und dann doch nicht!? Klare Aussagen sehen anders aus.
Es wäre interessant zu erfahren, wie denn dann wirklich der auf Seite 14 erwähnte Auflösungstest durchgeführt wurde, dessen Ergebnis angeblich zu dem des Sterntests im Widerspruch stand. Hätte ich bei zwei solchen Tests einen derartigen Widerspruch festgestellt, hätte ich nach dem Grund dafür gesucht, statt mich damit abzufinden. Im vorliegenden Fall vermute ich fehlerhafte Ausführung eines der beiden oder gar beider Tests. Denn auch wenn hohe Auflösung und gute Sternabbildung nicht 100%ig dasselbe sind, so müssen sie doch relativ gut miteinander korrelieren und dürfen sich nicht gegensätzlich verhalten.
Ansonsten finden sich im Text zum Canon 10x42 L IS WP kaum Informationen, die den Eigenschaften und Besonderheiten dieses Fernglases gerecht werden, sondern überwiegend Wischiwaschi. Dass z.B. ein separater, nicht am Fernglas fixierter Objektivschutzdeckel, den man beim Beobachtungseinsatz irgendwohin stecken muß, statt ihn einfach nach unten abzuklappen, nicht kritisiert, sondern gelobt wird, weil man ihn auf die Okulardeckel stecken kann, zeigt auch, was man von der Kompetenz der Tester halten muß. Hätte ich etwas zu diesem Objektdeckel schreiben müssen, dann eher, daß Canon sich einen solchen Objektivdeckel nicht an den Okularschutzdeckel, sondern an den Hut stecken und einen vernünftigen Objektivschutzdeckel mitliefern sollte.
Walter E. Schön
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 22.10.10 17:52.