Normalerweise denkt man, dass die Okulare der Spektive ein möglichst großes Sehfeld haben sollten. Zum Suchen einzelner Objekte sollte das nur vorteilhaft sein und Leica wie auch Swarovski haben entsprechend verbesserte Zoom-Okulare ja angekündigt und deren Prototypen vorgestellt.
Gerade in den letzten Tagen kam ich in zwei Situationen, bei denen ich froh war, kein größeres Sehfeld zu haben. Gestern früh zählte ich im Rahmen der Wasservogelzählung z.T. tief gestaffelt schwimmende Gänse aus - es waren rund 12500. In mehreren Durchgängen schätzte ich mit dem zum Kowa 88x konstruierten 20...60 Zoom zunächst die Zahl ab. Dabei wäre es schön gewesen, wenn ich die Zahl der ins Bild kommenden Gänse so eng hätte eingrenzen können, dass immer nur etwa 50 oder 100 Tiere jeweils im Spektiv zu sehen gewesen wären. Ich hätte dann im Idealfall nur schwenken müssen und hätte dann schnell eine erste Übersicht über die Gesamtzahl gehabt. So musste ich mehrfach mit dem Handzähler 200-400 Tiere auszählen, was natürlich dauert. Man sollte noch wissen, dass die Gänse sehr früh von ihrem Schlafplatz aufbrechen und jederzeit Seeadler erscheinen können, die die Gänse früher zum Auffliegen veranlassen und damit zwar schöne oder spannende Beobachtungen ermöglichen, aber leider den Zählansatz zunichte machen, ja womöglich sogar die Zählung zu einer groben Schätzung werden lassen. Man steht also hier als Zähler unter Zeitdruck.
Heute kam gleich die nächste Situation: Unter 3000 Kiebitzen, 300 Goldregenpfeifern, einigen Kampfläufern, Alpenstrandläufern, Bekassinen und Kiebitzregenpfeifern sollte ein in den Vortagen beobachteter verspäteter Mornellregenpfeifer gesucht werden. (Leider fanden ihn fünf gleichzeitig anwesende Beobachter trotz etwa dreistündiger intensiver Suche nicht). In solchen doch recht anstrendenden Beobachtungssituationen finde ich es gut, nicht zu viele Tiere gleichzeitig im Bild zu haben, denn in solchen Fällen möchte man ja einen bestimmten Vogel aus einer großen Anzahl anderer herausfiltern. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass auch in dieser Beobachtungssituation die neuen Variookulare nicht vorteilhaft gewesen wären.
Wenn dagegen irgendwo am Schilfrand stehende Reiher gezählt werden sollten oder einzelne weit entfernt schwimmende Taucher, wäre man vermutlich mit den weiteren Sehfeldern besser bedient. Daher möchte ich auch gar nichts gegen die Entwicklung der neuesten Zoom-Okulare sagen, sondern nur Fälle nennen, bei denen ich mir einen Vorteil von der Nutzung herkömmlicher Zoom-Okulare verspreche. Die Leser können sicher selber beurteilen, was für ihre eigene Beobachtungspraxis wichtig oder wichtiger ist.
MP